Immer, wenn man denkt, es kann im Nahen Osten, der im Banne der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) steht, nicht mehr schlimmer kommen, raubt einem die nächste schreckliche Nachricht diese Illusion. Auch wenn es von Anfang an nur eine geringe Hoffnung für den jordanischen Piloten Muaz al-Kasasbeh gegeben hat, der während eines Militäreinsatzes gegen die IS in die Hände der Milizen fiel, so ist die Art seines Todes so grauenvoll, wie die vorgeschobenen Verhandlungen, die die IS mit Jordanien über seine Freilassung geführt hatte, zynisch waren. Der junge Mann war bereits Anfang Jänner getötet worden, lebendig verbrannt.

Jordanien ließ noch in der Nacht nach Auftauchen des Videos die zwei zum Tode verurteilten irakischen Terroristen, die die IS freipressen wollte, hinrichten: eine Frau und einen Mann. Erst im Dezember 2014 war das Moratorium, das in Jordanien seit 2006 für die Vollstreckung von Todesstrafen galt, nach Druck aus dem jordanischen Parlament aufgehoben worden - aus mehreren EU-Ländern, auch aus dem österreichischen Außenministerium, wurden die elf Hinrichtungen damals kritisiert.

Ausdrückliches Lob für die jetzigen Exekutionen kam vom israelischen Außenminister Avigdor Lieberman. Auch die Reaktion der hohen sunnitischen Schule von Al-Azhar in Kairo hinterlässt einen sprachlos: Die Täter sollten nicht nur getötet, sondern auch gekreuzigt und ihre Arme und Beine abgeschnitten werden. Das ist nicht gerade das, was man sich als islamische Verurteilung des jihadistischen Terrors wünscht. Im Westen wird dadurch das Gefühl mancher nur noch stärker werden, sich in einem Kulturkampf zu befinden, in dem es nur "uns" und "die anderen" gibt.

In der jetzigen Situation ist es kein Trost, dass der "Islamische Staat" umso grausamer wird, je mehr er militärisch aus der Luft und auf dem Boden unter Druck gerät. Noch immer sind die Milizen in der Lage, neue Offensiven zu eröffnen, wie die jüngste bei Kirkuk im Irak. Aber sie haben in den vergangenen Wochen auch Terrain verloren, das sie zuvor länger kontrolliert hatten. Vor Kobane an der syrisch-türkischen Grenze, das militärisch gar nicht so wichtig war, aber durch den langen Kampf einen hohen symbolischen Wert bekam, wurden sie zurückgedrängt. Es gibt Berichte über die wachsende Paranoia in den IS-Reihen, der eigene Kämpfer zum Opfer fallen. Aber auch die Aggression gegen die von der IS beherrschten Bevölkerungen, die zeitweise auf den Pragmatismus im "Islamischen Staat" zählen können (solange sie sunnitisch sind und sich an die Regeln halten), nimmt wieder zu. Terror ist von jeher auch ein taktisches Mittel, um Widerstand im Keim zu ersticken.

Andererseits war es gerade diese Art von Radikalismus der damaligen Al-Kaida im Irak, die ihr letztlich zum Verhängnis wurde: Diese Einsicht ist auch den gefundenen Papieren von Osama Bin Laden zu entnehmen. Ab 2007 entwickelte sich eine Abwehrbewegung bei den irakischen sunnitischen Stämmen, die zuvor teilweise mit den Islamisten paktiert hatten.

Es ist viel zu früh, um zu prognostizieren, ob der unfassbare Ritualmord an Kasasbeh eine Gegenreaktion hervorrufen wird, die helfen könnte, diesen Albtraum zu beenden. Aber der große Identifikationsfaktor mit dem jungen arabischen "Helden und Märtyrer" lässt Hoffnung zu. "Wir alle sind Muaz" lautet nun der Slogan in Jordanien. Charlie strahlt aus, wenngleich anders als erwartet. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 5.2.2015)