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Von nun an gibt es keine Popcorn-Geheimnisse mehr: Die Temperatur, bei der es zu den Miniexplosionen kommt, liegt bei 180 Grad, und die aufplatzenden Körner machen dabei einen eineinhalbfachen Salto.

Foto: REUTERS/Shannon Stapleton

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Popcorn ist getrockneter Stärkekleister. Das typische Popp-Geräusch entsteht durch den explosionsartig entweichenden Wasserdampf.

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Grenoble/Wien - Kulturhistorisch ist der Siegeszug des beliebten Snacks gut erforscht: So richtig populär wurde Popcorn während der Großen Depression zu Beginn der 1930er-Jahre, als auch der Siegeszug des Kinos begann. Eine billige Knabberei war gefragt - und Popcorn war die Antwort. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich der Snack auch in europäischen Kinos durch und gehört nach wie vor zur Pflichtausstattung jedes Lichtspieltheaters.

Wann das erste Mal Popcorn poppten, ist weit weniger klar: Archäologen fanden bei Ausgrabungen in Mittelamerika mindestens 4000 Jahre alte Körner jener Maissorte, die bei großer Hitze poppen. Man darf also vermuten, dass die Knabberei schon seit langer Zeit Bestandteil des indianischen Speiseplans war.

Bei der speziellen Maissorte handelt es sich um Zea mays var. everta, deren Körner sich von anderen durch eine zwar sehr dünne, aber dafür harte und etwas glasigere Schale unterscheiden. Und diese robuste Schale ist die Grundbedingung dafür, dass Popcorn so richtig poppen kann.

Explodierender Stärkekleister

Der Vorgang ist im Prinzip molekulargastronomisch gut erforscht: In den Maiskörnern befinden sich Stärke und Wasser, die sich bei Temperaturen über 70 Grad Celsius zu einem sogenannten "Stärkekleister" verbinden. Werden die Maiskörner weiter erhitzt, beginnt der Stärkekleister langsam zu kochen, und der Wasseranteil geht langsam in einen gasförmigen Zustand über.

Im Maiskorn baut sich auf diese Weise ein Druck auf, der wegen der Härte der Schale recht hoch wird. Bei Temperaturen knapp unter 200 Grad ist der Druck dann aber zu hoch, der Wasserdampf sprengt die Schale und das Maiskorn platzt auf. Dabei wird das Innenleben des Korns nach draußen geschleudert. Gleichzeitig verpufft das ganze Wasser mit einem Schlag. Zurück bleibt der getrocknete Stärkekleister.

Einige Details dieses Vorgangs blieben bis jetzt jedoch im Dunkeln: Bei welcher exakten Temperatur kommt es zum großen Poppen? Welche Sprungbewegung wird ausgeführt? Und was ist für das charakteristische Popp-Geräusch verantwortlich?

Diesen Fragen sind die französischen Physiker Emmanuel Virot (École Polytechnique in Palaiseau) und Alexandre Ponomarenko (Uni Grenoble) mit wissenschaftlicher Akribie nachgegangen. Bei der Popp-Temperatur konnten die beiden Forscher bisherige Schätzungen (von 170 bis 200 Grad Celsius) bestätigen: Ihr Puffmais explodierte bei 180 Grad Celsius.

Etwas mehr technisches Equipment brauchte es für die Analyse der Popp-Bewegung: Erst Aufnahmen einer Hochgeschwindigkeitskamera mit 2000 Bildern pro Sekunde offenbarten, dass sich unmittelbar nach dem ersten Riss in der Hülle (nach sieben Millisekunden) eine Art stärkehaltiges "Bein" aus dem Maiskorn schiebt (nach 14 Millisekunden).

Eineinhalbfacher Salto

Dieses Bein katapultiert das aufpoppende Maiskorn nach rund 21 Millisekunden zu einem im Schnitt etwa eineinhalbfachen Salto, wie die Forscher im "Journal of the Royal Society Interface" berichten. Die Beschleunigung dabei ist unspektakulär: die eines springenden Flohs ist fünfmal größer.

Schließlich klärten die Forscher auch noch die Frage, ob das typische Popp-Geräusch beim Aufplatzen der Hülle, beim Wegkatapultieren oder beim Entweichen des Wasserdampfs entsteht. Durch die Kopplung eines extrem empfindlichen Mikrofons mit den Aufnahmen der Kamera konnten sie beweisen, dass jenes Poppen, das dem Mais den Namen gab, tatsächlich durch den explosionsartig freigesetzten Wasserdampf erzeugt wird. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 11.2.2015)