Der Niederösterreicher Stefan Freunberger hatte bereits zwölf Jahre an renommierten Instituten im Ausland geforscht, bis es "nach Umwegen" mit einer permanenten Stelle in Österreich geklappt hat. Nun baut er mit einem Starting Grant der EU an der Technischen Universität Graz eine Gruppe auf, die sich der Entwicklung von Hochenergiebatterien widmet.

Foto: TU Graz / Helmut Lunghammer

Graz - Vom E-Bike bis zum Speicherkraftwerk, vom Smartphone bis zum Elektroauto - überall dort, wo Energie effizient gespeichert und schnell wieder abgerufen werden soll, kommt man heute kaum ohne Lithium aus. Viele gängige Speicherkonzepte, etwa Lithium-Ionen-Akkumulatoren, basieren auf dem Element. Ihrer vergleichsweise hohen Leistungsfähigkeit steht allerdings ein großer Nachteil gegenüber, sagt Stefan Freunberger vom Institut für Chemische Technologie von Materialien an der Technischen Universität Graz: der Preis.

Sowohl Rohstoffe als auch Herstellungsprozesse kommen teuer. Lithium ist relativ schwer zu gewinnen. Andere notwendige Elemente - Kobalt, Nickel, Mangan - sind zum Teil noch schlechter verfügbar oder sehr umweltbelastend. Für die Herstellung sind zudem energieaufwändige Hochtemperaturprozesse nötig. "Pro Kilowattstunde Speicherkapazität fällt in der Produktion ein Energiebedarf von 400 Kilowattstunden an", sagt der Wissenschafter. Fürs Recycling ist erneut viel Energie notwendig.

Freunberger möchte deshalb zur Entwicklung weniger aufwändiger Energiespeicher beitragen. Der 35-Jährige erhielt einen Starting Grant des European Research Councils, der exzellenten jungen Forschern den Aufbau eines unabhängigen Teams ermöglichen soll. Dass er zu den aufstrebenden Talenten seines Fachs gehört, hat der in St. Georgen an der Leys in Niederösterreich aufgewachsene Landwirtssohn in den vielen Jahren bewiesen, die er an einschlägigen Forschungseinrichtungen in der Schweiz, in Kanada, Frankreich und Schottland verbrachte.

Lernen von den Besten

Diese Destinationen seiner insgesamt zwölfjährigen Auslandsaufenthalte waren immer zielstrebig geplant: "Zuerst habe ich mich gefragt, was interessiert mich. Dann habe ich geschaut, wo die besten Leute sind." In Österreich habe es damals keine entsprechende Forschung gegeben. An der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und an der University of Victoria war er beteiligt an der Entwicklung neuer Konzepte für Brennstoffzellen. An der schottischen University of St. Andrews arbeitete er in der Gruppe des Materialforschers Peter Bruce - dieser wechselte inzwischen nach Oxford - an Lithium-Sauerstoff-Akkus.

An der TU Graz baut Freunberger nun seine eigene Gruppe zum Thema Hochenergiebatterien auf. In einem Akku wird elektrische in chemische Energie - und zurück - verwandelt. Das funktioniert mithilfe von Materialien, die unterschiedlich gut Strom leiten können, sogenannten Elektroden, und innerhalb einer leitenden Substanz, dem Elektrolyt.

Als Ausgangsmaterial für die Elektroden eines Akkus kommen viel mehr Elemente des Periodensystems infrage, als derzeit angewendet werden, sagt der Materialwissenschafter. "Von Sauerstoff bis Silizium, von Phosphor bis Kohlenstoff gibt es sehr viele breit verfügbare Stoffe, die elektroaktive Verbindungen aufbauen können." Im Moment sei hier jetzt oft Kobalt oder Nickel im Einsatz. Würde man es mit Schwefel oder Sauerstoff ersetzen, könnte man viel mehr Energie speichern.

"Man muss eben so lange an den Molekülen herumbasteln, bis man die gewünschten Eigenschaften erhält", sagt Freunberger. Das ferne Vorbild ist die belebte Natur. "Sie hat gelernt, sehr sparsam mit Energie umzugehen. Alle Prozesse laufen bei Raumtemperatur ab", sagt der Forscher. "Ein kompostierbarer Energiespeicher - das wäre die Vision."

Dehnbare Materialien

Der Vorteil bei den derzeitigen kobalt- oder nickelhaltigen Materialien ist ihr konstantes Volumen während des Be- und Entladens. Silizium hätte beispielsweise eine extrem hohe Kapazität, verändert aber das Volumen bei den elektrochemischen Prozessen, sagt der Forscher. "Durch die Ein- und Auslagerungsprozesse dehnen sich diese Materialien aber aus und ziehen sich wieder zusammen." Es ist viel schwieriger, sie in den Energiezellen zu verbauen.

In einem Akku gibt es zwei Stromflüsse: einen äußeren elektrischen und einen internen Ionenfluss. "Bei den neuen Materialien ist es viel schwerer, diese Stromflüsse in Kontakt zu bringen", sagt Freunberger. Für diese Leiter braucht es fundamental neue Ansätze. Ihnen möchte sich der Wissenschafter widmen. "Dazu müssen wir aber erst die Prozesse auf molekularer Ebene verstehen."

Langfristig könnte man auch daran denken, von den Lithiumionen im Elektrolyt wegzugehen, die bei Lade- und Entladevorgängen zwischen den Elektroden hin- und hergeschoben werden - "beispielsweise in Richtung Natrium, bei dem es sicher keine Engpässe geben wird", sagt Freunberger.

Ausgangspunkt seiner Karriere war ein Chemie-Studium an der Technischen Uni Wien. Sein Interesse an Naturwissenschaften bringt er mit dem direkten Naturkontakt am heimatlichen Bauernhof in Zusammenhang. Seit er 13 Jahre ist, kümmert er sich dort - je nach Auslandsaufenthalt mehr oder weniger intensiv - um seine Bienenstöcke. Er hätte sich auch für Mathematik oder Biologie begeistern können. "Bei Chemie wusste ich aber, dass ich auf ein gutes Niveau kommen konnte. In anderen Fächern hatte ich für den Anspruch, den ich mir gesetzt habe, zu wenig Talent." Mittlerweile hält er mehrere Patente und hat in Journalen wie Science oder Nature Chemistry publiziert.

Dass Freunberger nach Österreich zurückkommt, war nicht von Anfang an klar. "Ich würde mich nicht als schwer vermittelbar beschreiben", sagt er und hätte da auch noch eine wissenschaftspolitische Message parat: "Es wäre für mich viel einfacher gewesen, eine gute permanente Stelle im Ausland zu bekommen als hier. In Österreich hat es erst nach Umwegen geklappt." (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 11.2.2015)