In Form erratischer Spurensuchen fusioniert Veronika Steiner Natur mit Kultur, Druckwerk und Unikate.

Foto: Heinz Lindinger

"Mein Schaffen empfinde ich als beständige Annäherung, ein fortwährendes Suchen nach einem Weg, dessen Existenz von Polarität, Zeichen und Symbolen begleitet ist. Die von mir empfundene Gegensätzlichkeit zeigt sich in klaren Fragmenten und dunkler Schwärze. Es ist mir kein Anliegen, dass die Formeln, die mir eine notwendige Ordnung bedeuten, von jedem Beschauer entzifferbar sind. Meine Arbeit unterliegt einer ständigen Veränderung. Dadurch entsteht ein Fluss, eine Bewegung, eine Reise. Die Spurensuche des Betrachters kann beginnen." Mit derart eindeutig klar unklaren Worten beschreibt die Künstlerin Veronika Steiner ihren Weg und ihre Kunst.

Von der Biochemie in die Kunst

Die 1968 in Wien Geborene stammt aus einer Künstlerfamilie. Nach kurzen Ausflügen in die Studienrichtungen Biochemie und Musik begann sie ihr Kunststudium an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. In den Meisterklassen Tino Erben und Sigbert Schenk erlernte sie die Künste der Schrift- und Buchgestaltung, der Grafik und Druckgrafik. Seit ihrem Diplom ist sie freischaffende Künstlerin und Lehrbeauftragte an der Angewandten.

Überschattungen und Körperwelten, Zeichen, erratische Symbole und als Ziffern und Zeichen getarnte Chiffren bestimmen das Universum der auf der Suche befindlichen Künstlerin. Sie fusioniert Gegenständliches mit Abstraktem, sie übermalt, arbeitet mit Rost. Die Metamorphosen, die sich dadurch ergeben, sind Ergebnisse des Prozesses, des Verwandelns.

Fragen statt Antworten

Betrachtet man ihre Werke - gleichgültig ob Druckgrafiken, Gemälde, Gouachen, Objekte oder Notizen und Skizzen -, ist man Gefangener einer vielschichtigen, komplexen Welt. Steiner gibt keine Antworten. Sie stellt Fragen. Präsentiert Fragen ohne Antworten. Spiegel dieser Fragen sind die Farben, die sie bevorzugt. Braun, Rost, Schwarz. Sattes Schwarz, Dunkelrot, Rostbraun. In Nuancen und Schichten angewandt, perlustriert Steiner mit diesen Farben eine Welt, die von Gegensätzen geprägt ist. Konträre Begriffe wie Hell und Dunkel, Verneinung und Unendlichkeit, Lebendigkeit und Starre ergeben in Summe eine friedliche Auseinandersetzung des Innenlebens mit der Außenwelt.

Beobachtungen & Erkenntnisse

"Das Herantasten an ein Thema beginnt in ihren Skizzenbüchern, die wesentlich mehr als bloße Arbeitsbücher sind. In ihnen finden sich als 'Fundstücke' einzelne formale Elemente, künstlerische Ideen im Zustand des Entstehens, Ansatzpunkte, die vielleicht wieder verworfen werden oder in die einzelnen Stadien des Drucks Eingang finden. Zeichen, Chiffren, Kürzel stehen in ihren Radierungen als Abbreviationen einer symbolistischen Weltsicht. Der betonte Einsatz haptischer Elemente, das Sichtbarmachen von Struktur und Materialität, Verletzung, Zerstörung, Ritzung des verwendeten Materials sind expressive Mittel, denen eine gewisse dramatische Wirkung eigen ist. Veronika Steiner sieht die einzelnen Stadien des Druckens als Weg, der den Fluss ihrer Arbeitsweise dokumentiert, die fertige Radierung ist folgerichtig meist ein Unikat, das sie als notwendigen Abschluss eines organischen Entstehungsprozesses betrachtet", beschrieb die Kunsthistorikerin Susanne Berchtold Steiners Zugang.

Momente des Seins

Im Endeffekt sind die Arbeiten Steiners erratische Monumente des Seins. Die Serie Körperwelten lässt offen, ob es sich um organische Körper oder virtuelle Gedankenwesen handelt. Manch Körperteil mag erkennbar scheinen. Haare, Linien, klare Komponenten bilden ihr Spektrum. Kunstkritikerin Monika Knofler, angetan von Steiners Technikinnovationen, schrieb: "Die Verwendung von Carborundum, einer um 1909 in Paris entdeckten Technik mit Schleifsand, mit der hauptsächlich plastische Wirkungen erzielt werden, führt zu den Arbeiten von Veronika Steiner, die damit jedoch auch zu malerischen bis zu lasierenden Ergebnissen kommt. (...) Zur Umsetzung ihrer Spurensuche verwendet sie vor allem die Pinselätzung, Kaltnadel und die malerische Verwendung von Carborundum auf Aluminium, da sich nach ihren eigenen Worten dieses spröde Material am besten dazu eignet, ihren Kampf mit dem Material sichtbar zu machen und Gegensätze wie Aufreißen - Überdecken oder Leidenschaft - Erstarrung darzustellen."

Romantisch dualistisch erscheinen ihre großformatigen Arbeiten oberflächlich betrachtet. Beschäftigt man sich aber eingehend mit dem Weltbild und der Philosophie, die den Werken zugrunde liegen, und vertraut zudem auf den Eindruck, den die Bilder beim Betrachter evozieren, wird klar, dass es sich um eine von Zwischentönen bestimmte Welt handelt. Kein Schwarz-Weiß, nein. Das Getriebensein des Menschen, das Suchen, das Sich-Verlieren, das Sich-Schenken und -Herausfordern sind die Momente, die das Leben lebenswert machen.

Expeditionen, Suche

Um neue Aspekte und Erkenntnisse des Seins zu erkunden, begibt Steiner sich wiederholt auf Reisen. Transatlantische Expeditionen in die USA oder nach Asien sind hier genauso zu erkennen wie ihre Suche nach Bodenständigem, Traditionellem. Schilder, Wegweiser, Ziffern, Buchstaben, verzerrt ins Bedeutungslose. Im Zusammenspiel und in der Spiegelung, der Kreuzung dieser Außenwelten entsteht das sensible Ergebnis des auf Papier und Leinwand gebannten Seelenlebens. Auf Reisen befindet sich auch das OEuvre. Auf Reisen zwischen urbanen Welten und ländlichen Idyllen. Auf Reisen poetischer Reflexion. Mit Alfred Kolleritsch und Helmut Eisendle arbeitet sie zusammen. Sichtbar in den Zyklen Überschattungen und Spurensuche, auf denen sie Verkehrsschilder, Grenzsteine, Türen, Schlösser, Ziffern abstrahiert, bemalt, ätzt, übermalt und mit einer Patina des Rätselhaften überzieht. Emblematisches konterkariert sie mit Wiederholungen, Spiegelungen. De facto ergibt ihr Werk eine Reihe von Fragen, Rätseln, von Chiffren und Codes. Kraftvoll, voller Magie, von erratischer Aura. (Gregor Auenhammer, DER STANDARD, 11.02.2015)