Lux Interior bei der Arbeit. Anlässlich seines sechsten Todestages gibt es im Wiener Fluc am Freitag ein "Tribute to The Cramps".

Foto: thecramps.com

Wien - Leidenschaft ist ein vielgelittener Begriff. Sie wird jedem Briefmarkensammler nachgesagt und sogar der Gymnastikfibel Fifty Shades of Grey unterstellt. Alles verbales Schindluder Ahnungsloser.

Der Wiener Club Fluc lädt am Freitag zur einer Lektion in Sachen Leidenschaft, aber hallo. In der Veranstaltungsreihe "Boneshakers" kommt es zu einem notwendigen "Tribute to The Cramps". Die Cramps waren eine Rock-'n'-Roll-Band, die nach dem viel zu frühen Ableben ihres zentralen Wahnsinnigen, Lux Interior, vor sechs Jahren aufgehört hat zu existieren.

Doch die Band war schon zuzeiten ihrer Existenz ein Mythos. Mit Erick Lee Purkhiser, wie Interior bürgerlich hieß, besaßen die Cramps einen Frontmann, wie sie heute nicht mehr gemacht werden. Für seine Mission scheute er keine Wunden, Verletzungen oder Entblößungen. Es ist die Leidenschaft, die Leiden schafft. Und Freude.

Interiors Mission bestand in der Predigt eines primitiven, von niederen Trieben dominierten Rock-'n'-Roll-Entwurfs, wie ihn diverse Hinterwäldler der US-Südstaaten in den 1950er-Jahren gespielt und aufgenommen haben.

Die Großzügigkeit der Ende der 1970er-Jahre gegründeten US-Band ging so weit, dass sie noch vertonte Ergüsse diverser Garagen-Punk-Bands der 1960er-Jahre als Einfluss zuließ, solange diese frei von schöngeistigem Tand waren. Wir sprechen hier vom Reinheitsgebot manischer Beflecker. "Cause I love and I live primitive", wie die Groupies so schön sangen.

Mit diesem Ansatz gingen die Cramps als originelle Vertreter des Urstände feiernden US-Punk in die Musikgeschichte ein. Was war denn Punk anderes als eine Reinkarnation der subversiven Kraft des Rock 'n' Roll?

Dabei waren The Cramps auf ihre Art konservative Hardliner. Interiors Gattin Poison Ivy spielte an seiner Seite unbarmherzig Gitarre, hinten saß Schlagzeuger Nick Knox wie ein autistischer Verwandter, zweite Gitarristen waren Kid Congo Powers (den man vom Gun Club und von Nick Cave her kennt) sowie vor ihm Bryan Gregory, der Fleisch gewordene Albtraum jedes Vaters einer Tochter.

The Cramps nahmen großartige (Live-)Alben wie Smell of Female, A Date with Elvis oder Psychedelic Jungle auf. Sie gaben Konzerte, bei denen sie die Bühne beinahe abtrugen, während Interior im getigerten Herrentanga auf meterhohen Boxen Hand an seinen besten Freund legte. Sie traten in psychiatrischen Anstalten auf und überall dort, wo man sie nicht rechtzeitig daran hindern konnte. Ja, es war eine fröhliche Kunst, die die Cramps der Welt bescherten und hinterließen.

Bei der heutigen Würdigung werden die DJs King Camp & Johnny Velvet einschlägige Musik aus diesem abseitigen Universum verlegen und die Prager Cramps-Erben Trailer Crash live auftreten. Anlass ist der Todestag Lux Interiors, der sich am 4. Februar zum sechsten Mal jährte, schnäuz. (Karl Fluch, DER STANDARD, 13.2.2015)