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Wer ein Häferl ist, wird den Namen des Dichters nicht mehr aussprechen.

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Das Nachleben Th. B.s fängt mit seinem Testament an. Gleich nach dem Tod des Schriftstellers, der früher unter dem Namen Thomas Bernhard bekannt war, wurde die entscheidende Passage publik: "Weder aus meinem von mir selbst zu Lebzeiten Veröffentlichten noch aus meinem (...) Nachlaß darf auf die Dauer des gesetzlichen Urheberrechts innerhalb der Grenzen des österreichischen Staates (...) etwas (...) von mir (...) Geschriebenes aufgeführt, gedruckt oder auch nur vorgetragen werden. Ausdrücklich betone ich, daß ich mit dem österreichischen Staat nichts zu tun haben will, und ich verwahre mich gegen jede (...) Annäherung dieses Staats meine Person betreffend in aller Zukunft. Nach meinem Tod darf aus meinem eventuell gleich wo vorhandenen literarischen Nachlaß, worunter auch Briefe und Zettel zu verstehen sind, kein Wort veröffentlicht werden."

Soweit diese Verfügung publizierte Werke betrifft, ist sie rechtlich ohne Belang. Bestehende Werknutzungsvereinbarungen können im Nachhinein nicht einseitig zurückgenommen werden. Auch der Öffentlichkeit kommen mit dem Veröffentlichungsakt unwiderrufliche Rechte zu wie beispielsweise das Recht zum kleinen Zitat oder zum unentgeltlichen öffentlichen Vortrag. Die Österreich-Klausel steht im Widerspruch zum EU-Prinzip des freien Warenverkehrs. Bei Zetteln und Briefen wäre zu prüfen, ob sie überhaupt Werkcharakter haben.

Mit dem moralischen Druck seines Testaments hat Th. B. seinen Halbbruder, den Internisten Peter Fabjan, und den Suhrkamp-Verlagschef Siegfried Unseld belegt. Wie Fabjan oft betont hat, war ihm mit der Übernahme des Erbes von Beginn an klar, dass dieses Erbe seine ganze Energie fordern und sein restliches Leben dominieren würde. Als Role-Model seines Agierens diente der soziale Stil, den der Halbbruder gepflegt hat. So ist es in der Verwaltung von Th. B.s Erbe für den Erben eine Art selbstauferlegte Verpflichtung geworden, genau das zu tun, was Th. B. getan hätte, und dies auch genau so zu tun, wie er es getan hätte.

Charme und Unverfrorenheit

Zentrale Einblicke in jene Mischung, ja, fast könnte man sagen: Gleichzeitigkeit von Charme und Unverfrorenheit, in der Th. B. mit anderen Personen umgegangen ist, vermittelt der Briefwechsel zwischen ihm und Siegfried Unseld. Aus diesem einzigartigen Dokument, dessen Veröffentlichung dem Wortlaut des Testaments klar widerspricht, erklärt sich auch vieles von dem, was an seiner Nachlasspflege ansonsten nicht zu verstehen wäre. Ein zentrales Verhaltensmuster prägt Th. B. und in imitatione Peter Fabjan. Dieses Muster formt Th. B.s Testament und steuert seine posthume Wirkung. Einseitig und scheinbar völlig mutwillig kommt es immer wieder zur Kündigung von Vereinbarungen, die man gerade erst mühsam erreicht hat und eben noch für allgemein verbindlich hielt.

Eine Möglichkeit, mit den unmöglich möglichen testamentarischen Verfügungen des Halbbruders umzugehen, fand Fabjan im Jahr 1998 mit der Errichtung der Th.-B.-Privatstiftung. Als beratendes Gremium stand ihr zu Beginn ein kompetenter internationaler Beirat zur Seite, und im Vorstand war bis zu seinem Tod im Jahr 2008 der renommierte heimische Germanist Wendelin Schmidt-Dengler tätig. Auf sein Gespür und seine Expertise hörte der Erbe, und oft machte Schmidt-Dengler in der Stiftung gegenüber allzu unüberlegten Plänen einen wohltuend mäßigenden Einfluss geltend.

Nach außen hin sollte die Stiftung den mutmaßlichen "Bruch" von Th. B.s Testament legimitieren, der aber vielleicht eher eine Wiederherstellung geltender Rechtsverhältnisse war. Nach innen ergab sich über die Stiftung die Möglichkeit zur Rekrutierung staatlicher Fördergelder. Damit war man sehr erfolgreich. Im Jahr 2003 beispielsweise flossen, zusammengesetzt aus Zahlungen verschiedener Ministerien, der Stadt Wien (für Mietkosten einer Dependance in Wien), der Stadt Gmunden und des Landes Oberösterreich, mehr als 230.000 Euro in die Stiftung und das von ihr betriebene Th.-B.-Archiv, das im November 2001 in Gmunden errichtet und der Stiftung um einen symbolischen Mietbetrag zur Nutzung überlassen wurde.

Man muss kein Übertreibungskünstler sein, um zu behaupten, dass mit solchen Förderungen über Jahre hinweg Th. B. nicht nur ein staatlich gut geförderter, sondern der staatlich bestgeförderte Schriftsteller Österreichs ist. Die Polemiken, die Th. B. zu Lebzeiten gegen das österreichische Staatskünstlertum führte, erscheinen im Zuge seiner posthumen eigenen Verstaatlichung in einem anderen Licht. Nach außen hin mutete der Umgang der Th.-B.-Privatstiftung mit der Art ihrer Finanzierung seit jeher komisch an. Obwohl nämlich in der Stiftung fast ausschließlich öffentliches Geld steckt (vom ursprünglichen Plan, jährlich zehn Prozent der Tantiemen in die Stiftung zu geben, ist der Erbe wieder abgekommen), wurde nach außen hin stets so getan, als handle es sich hier um eine autonome Sache, die an keinerlei Vorgaben oder Auflagen gebunden ist.

Die Öffentlichkeit (Leserschaft und Forschung) bezog aus den Förderungen bis dato einen erkennbaren Gewinn. In Feuilleton und Forschung hochgelobt wurde die Werkausgabe, die basierend auf einem Teil der öffentlichen Forschungsgelder entstehen konnte. Auch das Th.-B.-Archiv in Gmunden hat über Jahre hinweg professional gearbeitet, für transparente Zugangsmöglichkeiten zum Nachlass gesorgt und der Th.-B.-Forschung zahlreiche Impulse verliehen.

Seit 1. Jänner 2015 ist das anders: Das Archiv in Gmunden wurde geschlossen und der Nachlass dem Vernehmen nach in die Büroräumlichkeiten der Stiftung nach Wien gebracht. Ob dort die notwendigen äußeren Bedingungen (Sicherheitstechnik, Raumklima, Räumlichkeiten für Benutzung) vorliegen, darf bezweifelt werden. Die Stiftung hat sich selbst in diese Situation gebracht.

Knapp nachdem mit dem Land Oberösterreich und der Universität Salzburg eine mühevoll verhandelte Vereinbarung zum Fortbestand des Archivs in Gmunden unterschrieben war, hat Fabjan mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften eine Digitalisierung des Bestandes verabredet. Weil der Gmundner Archivleiter Martin Huber die Projektpartner über diese Absichten informiert hat, wurde er von Fabjan im März 2014 entlassen. Bis heute hat man keinen Nachfolger nominiert, auch ansonsten scheint das Archiv derzeit keinerlei Personal zu haben.

Willkür und Drohgebärden

In den Vereinbarungen Fabjans mit der Akademie befürchtete man in Oberösterreich und Salzburg einen Verstoß gegen die Interessen des Standorts Gmunden. Zu einer Klärung der Sachlage wollte Fabjan nicht beitragen und kündigte die Kooperation. Namhafte Germanisten wie Karl Wagner schieden im Zuge der Auseinandersetzungen freiwillig aus der Stiftung aus oder kritisierten wie Hans Höller das Vorgehen Fabjans öffentlich. Seither agieren der Erbe und von ihm neu berufene Mitglieder des Vorstandes immer seltsamer: Th.-B.-Lesungen werden willkürlich verboten und Präsentationen der letzten Bände der Werkausgabe untersagt. Sachliche Argumente (wie Werktreue) sind für solche Entscheidung nicht auszunehmen, meist geht es ad personam.

Gegenüber der Öffentlichkeit nimmt die Stiftung zusehends Drohgebärden ein. So warnt sie auf ihrer Homepage seit kurzem vor der Inanspruchnahme des Rechts auf das kleine Zitat. Markenschutzrechte am Namen von Th. B. werden behauptet, und selbst einzelne Textwörter sind, wenn es nach dem Willen der Stiftung geht, unter Schutz gestellt.

Im Vertrauen darauf, dass es der Förderung und Verbreitung des Werkes von Th. B. dient, wird die Jahrestätigkeit der Th.-B.-Privatstiftung seitens des Wiener Kulturministeriums seit 1998 Jahr für Jahr mit einer Grundsubvention bedacht, die derzeit ca. 80.000 Euro beträgt. Ob die Stiftung dieses Vertrauen weiterhin verdient, muss geprüft werden. Augenblicklich sieht es so aus, als würde sie sich eher der Verhinderung und dem Verbot und der Bedrohung all dessen widmen, was mit dicken staatlichen Subventionen in den letzten Jahren geschaffen wurde. (Klaus Kastberger, Album, DER STANDARD, 14.2.2015)