"Die Haftanstalten sind voll mit Benachteiligten, die mitunter eine Rechnung mit der Gesellschaft offen haben - und wären damit theoretisch der ideale Ort zum Rekrutieren", sagt Peter Prechtl, Chef der Justizwachebeamten.

Foto: Heribert Corn

Der Leiter der Vollzugsdirektion: "Das staatliche Regime kann nicht so weit gehen, diese Häftlinge rund um die Uhr zu isolieren."

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Wien – Exakt siebzehn Islamisten, aufgeteilt auf sechs Haftanstalten, sitzen derzeit in Österreich ein – und zwar in Einzel- oder Zweierzellen untergebracht, die meisten davon in der Justizanstalt Wien-Josefstadt (sieben Personen) und in Graz-Jakomini (fünf). Angesichts der steigenden Anzahl an Heimkehrern, die von hierzulande aus in den Jihad im Nahen und Mittleren Osten aufgebrochen sind, könnten es in absehbarerer Zeit aber um einige mehr werden.

Nicht nur erhöhter Sicherheitsaufwand

Am 26. Februar beraten deswegen sämtliche Justizanstaltsleiter im Rahmen einer Tagung über eine adäquate Betreuung dieser speziellen Gruppe von Häftlingen, weil für sie wegen allfälliger Terrorabsichten nicht nur ein erhöhter Sicherheitsaufwand betrieben werden muss. "Zwar haben wir uns mithilfe des Verfassungsschutzes schon länger auf solche Insassen eingestellt, aber ein Teil der Arbeit mit ihnen ist für uns Neuland", räumt General Peter Prechtl, Leiter der Vollzugsdirektion im Justizressort, im STANDARD-Gespräch ein.

Zwischen Separation und Resozialisierung

Denn 24 von 71 allein im Vorjahr in Österreich angefallenen Verfahren nach Paragraf 278b des Strafgesetzbuches, also wegen Mitgliedschaft an einer Terrororganisation wie dem "Islamischen Staat", sind noch offen. Konkret gilt es laut dem obersten Chef der Justizwachebeamten im Umgang mit verurteilten Jihadisten nun einen professionellen Weg zwischen ihrer Separation und ihrer Resozialisierung zu finden – nicht zuletzt, weil sich auch im Zuge der Anschläge in Paris erneut gezeigt hat, dass spätere Attentäter oft in Gefängnissen erst mit Islamisten in Kontakt gekommen sind und dort radikalisiert wurden. Auch die Justizanstalten hierzulande, sagt Prechtl, seien "voll mit Benachteiligten, die mitunter eine Rechnung mit der Gesellschaft offen haben – und wären damit theoretisch der ideale Ort zum Rekrutieren".

Gefährliches Gedankengut

Damit Mithäftlinge erst gar "nicht mit diesem Gedankengut infiziert werden können", müsste "die Gruppe 278b", wie sie im Fachjargon genannt wird, mehr als andere abgeschirmt werden. Allerdings sei das ein Balanceakt, denn: "Das staatliche Regime kann nicht so weit gehen, diese Menschen rund um die Uhr zu isolieren. Denn die gesetzlichen Vorgaben besagen, dass Häftlinge mindestens zwei Stunden am Tag in Gemeinschaft sein müssen", erklärt Prechtl. Dazu gehört entweder "die Bewegung im Freien" oder "die Beschäftigung in gemeinsamen Hafträumen".

Langwierige Arbeit für Änderung

Der "wesentlich langwierigere Part" werde es aber, so der Chef des Vollzugs, die Radikalen "zu ändern – und zwar insofern, dass sie unser demokratisches Wertesystem akzeptieren und auch befolgen". Gerade hat das Justizministerium das bescheidene Budget für muslimische Seelsorger in den Gefängnissen um ein Drittel erhöht – im Detail aber bloß von 15.000 auf 20.000 Euro pro Jahr.

Wenig Geld für die Seelsorge

Ramazan Demir, hauptberuflich Religionslehrer und aus finanziellen Gründen nur einige Stunden pro Woche in diversen Haftanstalten tätig, rechnet vor, dass das nicht genügt, weil derzeit 46 islamische Seelsorger nur nebenberuflich für 1700 gläubige Häftlinge zuständig seien – das ergebe ein bis zwei Stunden Einzelbetreuung pro Woche. Er plädiert daher für "fünf Planstellen österreichweit, also Peanuts für den Staat", damit nicht nur "die ultradikalen Extremisten" professionell betreut werden können, denn: "Die sind gefährlich für alle anderen, weil sie in der Regel gut manipulieren und Mithäftlinge einer Gehirnwäsche unterziehen können, indem sie sich nur wenige Sätze aus dem Koran herauspicken."

Und vom Umgang mit Islamisten hinter Gittern weiß Demir, dass diese weder mit Justizwachebeamten noch mit Psychologen über ihre vermeintliche Religion diskutieren wollen. "Selbst für uns braucht das Aufbauen von Vertrauen viel Zeit – und erst recht das Zurechtrücken von falschen Interpretationen des Koran." (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 14.02.2015)