Die Einigung von Rot und Grün, sich im strittigsten Punkt des Wiener Wahlrechtes nicht zu einigen, ist zum einen brillant, zum anderen demokratiepolitisch höchst bedenklich. Brillant deswegen, weil aus der vermeintlichen Ausweglosigkeit eine Win-win-Situation für SPÖ und Grüne geworden ist.

Die Roten erlauben den Grünen, im koalitionsfreien Raum einen Antrag einzubringen, der den mehrheitsfördernden Faktor im Wahlrecht abschaffen soll. Mit der ÖVP und der FPÖ, die die Streichung wie die Grünen seit Jahren fordern, wäre das mit einer knappen Mehrheit im Landtag theoretisch möglich. Theoretisch kann die SPÖ, die dank des Wahlrechtes eine absolute Mehrheit im zuständigen Ausschuss hat, aber auch einen Mehrheitsbeschluss der drei Parteien so lange verzögern, bis die Wahl 2015 vorüber ist. SPÖ und Grüne wahren so vor ihren Anhängern das Gesicht - und lachen sich ins Fäustchen.

Demokratiepolitisch ist dieses gefinkelte Konstrukt nach jahrelangen Verhandlungen ein Wahnsinn. Zumindest wird die Tatsache jetzt öffentlich bekannter, dass die Wiener SPÖ auch mit einem Wahlergebnis von 44,3 Prozent wie bei der Wahl 2010 jeden Beschluss blockieren kann. Die Hauptschuld tragen die Roten. Den Grünen ist aber Mittäterschaft anzulasten, wenn sie ihren Antrag so zuspitzen, dass ÖVP und FPÖ nicht mitziehen können. Das Wiener Wahlrecht gehört schleunigst reformiert. (David Krutzler, DER STANDARD, 14.2.2015)