Das 2007 gegründete Kollektiv DAAR behandelt im Projekt "The Lawless Line" die Aufteilung Palästinas von 1937 und wie die Linien auf der Landkarte zu realen Grenzen transformiert wurden.

Foto: Amina Bech, Villa Stuck

München - Das Exposé muss stark gewesen sein. Weshalb wohl auch Deutschlands finanzpotente Kulturstiftung des Bundes bei der Ausstellung Common Grounds mit einstieg. Die Ausführung aber als matt zu bezeichnen wäre blumig.

Das Konzept: zwölf Kunstschaffende aus der arabischen Golfregion, aus Marokko, Ägypten und dem Iran, dem Libanon und Israel, die ganz oder zeitweise in Europa oder Nordamerika leben. Insider also und nicht von außen auf die Gesellschaften und Veränderungsprozesse ihrer Heimatländer Schauende. Welche Kollisionen kristallisieren sich in der Kunst heraus, wie transformiert sie sich in Transformationsgebieten und Transformationsleben?

Es dürfte auch ein Kuratorinnentraum gewesen sein. Endlich einmal die Lektüre der vielen klugen Bücher des Kunsthistorikers Horst Bredekamp und seine Ausführungen über Bildpolitiken und die Theorie des Bildakts in die Praxis zu überführen. Sich dazu diskurspsychologischer Modelle entsinnen - und Hochaktuelles beimischen: den Mittleren und Nahen Osten. Von dort sind die meisten Bilder ja medialer Natur: übermittelt, bearbeitet, ausschnitthaft, fragmentarisch.

Wo ist aber das große Ganze? Gibt es einen gemeinsamen Grund, einen gemeinsamen Wissensraum, einen, wie dies Sprachphilosophen nennen, "common ground"? Die Kuratorin des Museums Villa Stuck, Verena Hein, meint: Ja. Und hat deshalb die von ihr zweieinhalb Jahre lang erarbeitete Schau genau so genannt: Common Grounds.

Was tun, wenn die mit Abstand stimmigste und überzeugendste Arbeit gleich den Auftakt macht? Joana Hadjithomas und Khalil Joreige zeigen in Wonder Beirut eine Serie von Postkarten aus Beirut, die ein Fotograf Jahre vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs 1975 anfertigte. Und der dann, nachdem der Libanon sukzessive zerstört wurde, die lebensfrohen Touristenfotos nahm und sie Schritt für Schritt ankokelte, durch Feuer zerglimmen, zergehen ließ. Die Destruktion als künstlerischer Akt hinkt der realen Zerstörung hinterher, macht sie greifbar und ergreifend.

Was danach folgt, sind Gegensätze. Und ein durchdekliniertes, qualitativ schwankendes Arsenal künstlerischer Ausdrucksformen. Von konstruktiver Abstraktion und Minimal Art (Hazem Harb) über Handzeichnungen (Susan Hefuna), doppelt gebrochene Ölmalerei (Dor Guez), politische Analytik (DAAR) bis zu Fotografie (Ahmed Mater), Film/Video (Nasser al Salem, Bouchra Khalili, Sophia Al Maria) und Installation:

Babak Golkar kreuzt in einem Container Globalisierung mit Adolf Loos, Warenaustausch mit Standardisierung und überfrachtet so seine Grundidee. Ein Container allein ist auch keine Lösung. In Parastou Forouhars Wandmalerei Zeit der Schmetterlinge kippt das Dekorative, weil man erst aus nächster Nähe erkennt, dass es Folterbilder sind. Forouhar lebt heute in Berlin, ihre Eltern wurden vom Geheimdienst der Ayatollahs ermordet.

Ästhetisch neutralisiert

Das Publikum wird didaktisch im Stich gelassen. Politische Zusammenhänge und Rahmenbedingungen werden nirgends aufgezeigt. Maya El Khalil, Direktorin der Athr Gallery im saudi-arabischen Jeddah, wichtiger Kooperationspartner der Villa Stuck, verstand es bei der Eröffnung rhetorisch charmant, alles, was Religiöses auch nur im Entferntesten hätte streifen können, als sozialästhetische Kritik an Missständen, vom Wildwuchs der Städte bis zu Korruption, zu neutralisieren.

Das will sich weder zu einem Ganzen fügen, noch leuchtet die Auswahl ein. Der Parcours ist im Aufbau zu löchrig, zugleich zu jäh in den Übergängen geraten. Logik, Stringenz, Fingerspitzengefühl bei Gruppierung und Gegenüberstellung: Fehlanzeige.

Grounding ist nicht nur ein kommunikationstheoretischer Begriff. In der Luftfahrt bezeichnet er ein Flugverbot oder die Einstellung des Flugbetriebs. Wie passend für diese Schau, die nicht abheben will. (Alexander Kluy aus München, DER STANDARD, 16.2.2015)