Das Wichtigste ist erreicht: Es herrscht Ruhe - zumindest relativ im Vergleich zum Gemetzel der letzten Tage und Wochen. Dass die Feuerpause erreicht wurde, ist ein diplomatischer Erfolg. Kann die vereinbarte Waffenruhe tatsächlich langfristig Blutvergießen verhindern, haben sich die Nachtschicht und der 16-stündige Verhandlungsmarathon in Minsk ausgezahlt.

Sicher ist das leider nicht. Es ist ein hochgradig gefährdeter Frieden zwischen den Fronten der Kriegstreiber auf beiden Seiten. In Kiew ist niemand mit dem Quasiverlust der Kontrolle über einen Landesteil glücklich. Nationalisten haben die Einigung bereits als "Verrat" bezeichnet. Präsident Petro Poroschenko, die Stimmung antizipierend, hat selbst zuletzt die Kriegsrhetorik verschärft.

Auf der Gegenseite sind auch die Separatisten mit dem Kompromiss unzufrieden. Sie machten deutlich, die Kontrolle über die gesamte Donbass-Region zu beanspruchen - und nicht nur über die Teile, die sie derzeit kontrollieren. Russland gibt sich zwar offiziell als Beobachter, doch die Medien sympathisieren offen mit den Rebellen und besingen zunehmend die Stärke der eigenen Sicherheitskräfte.

Die Minsker Erklärung bietet Provokateuren reichlich Interpretationsspielraum, um die Waffenruhe zu hintertreiben. Umso wichtiger ist es, gemäßigte Kräfte zu unterstützen und die Einhaltung der Feuerpause international zu kontrollieren und beiderseits scharf einzufordern. (André Ballin, DER STANDARD, 16.2.2015)