Meinungsfreiheit und Juden: die gleichen Ziele, vermutlich gleiche Motive stecken hinter den Terroranschlägen in Paris und Kopenhagen. In Frankreich waren es die Karikaturisten des Satiremagazins Charlie Hebdo, in Dänemark der Zeichner Lars Vilks. In Paris war das Ziel ein jüdischer Supermarkt, in Kopenhagen eine Synagoge. Die Annahme des französischen Botschafters François Zimeray, die Anschläge seien kopiert worden, ist naheliegend. Auch die dänische Polizei ging am Sonntag von einem Täter aus, der sich von den Terrorakten in Paris inspiriert gefühlt habe. Auch er war - wie die Attentäter von Paris - den Sicherheitsbehörden bekannt. Das zeigt: Noch mehr Überwachung schafft nicht mehr Sicherheit, dass Attentate verhindert werden können.

Ob es nun von außen gesteuerte Anschläge waren oder ob Einzeltäter ohne Absprachen vorgingen - ihr gemeinsames Ziel ist, die Freiheit einzuschränken: die Freiheit, Kritik zu äußern und eine Religion auszuüben. Die Attentate richten sich nicht nur gegen Journalisten, Angehörige einer Glaubensgemeinschaft oder ein Land, sondern gegen die Grundfesten der Demokratie und die freie Gesellschaft.

Es gehört zu dieser Freiheit, auch über politische oder religiöse Sachverhalte spotten zu dürfen. Es ist das Wesen von Karikaturen und Satire, zu überzeichnen und Grenzen auszuloten. Seit seinen 2007 veröffentlichten Mohammed-Karikaturen ist Lars Vilks mit Morddrohungen konfrontiert und mit Leibwächtern unterwegs. Wie die Zeichner von Charlie Hebdo übt er nicht nur Kritik am Islam, sondern nimmt genauso die katholische Kirche und das Judentum aufs Korn.

Man muss diese Karikaturen nicht mögen. Man kann sie auch geschmacklos finden. Aber es gehört zur Meinungsfreiheit, dass diese publiziert werden dürfen und dass darüber diskutiert wird. Diese Solidarisierung signalisieren die "Je suis Charlie"-Slogans. "Jeg er Vilks - Ich bin Vilks" wäre jetzt die logische Ergänzung.

Ob Charlie oder Lars: Es muss zum Selbstverständnis einer Gesellschaft in einem europäischen Land gehören, dass Einschränkungen dieser Freiheiten entschieden abgelehnt werden - nicht nur bei Solidaritätskundgebungen. Es war ein wichtiges Signal, dass in Frankreich und anderen Ländern so viele Menschen auf die Straße gingen, um gegen Einschüchterung und für Meinungs- und Glaubensfreiheit zu demonstrieren. Das Entsetzen über die Morde darf aber nicht zu Pauschalverdächtigungen gegen all jene führen, die sich der islamischen Glaubensgemeinschaft zugehörig fühlen.

Es ist ein schreckliches Zeichen, wenn siebzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Juden wieder Angst haben müssen, zur Zielscheibe zu werden. Ohne Angst zu leben, seine Meinung sagen und seine Religionszugehörigkeit zeigen zu dürfen sind die größten Errungenschaften, die Demokratien ihren Bürgern bieten. Mit ihrer Ankündigung, Dänemark werde die Demokratie verteidigen, setzte Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt das richtige Zeichen. Sie reagierte ähnlich wie der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg, der nach den Anschlägen von Anders Breivik, der 2011 insgesamt 77 Menschen umbrachte, sagte: "Unsere Antwort ist mehr Demokratie, mehr Offenheit und mehr Menschlichkeit."

Ob die Attentäter ihre Ziele erreichen, hängt davon ab, ob wir uns einschüchtern lassen.(Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 16.2.2015)