Die alte Post am Rochusmarkt wird derzeit abgerissen, bis 2016 sollen eine neue Unternehmenszentrale und ein Einkaufszentrum entstehen. Marktstandbesitzer und Anrainer überzeugt das Vorhaben nicht.

Foto: Christian Fischer

Wien - Dem gemeinen Österreicher rinnt bei dem Anblick wohl buchstäblich das Wasser im Munde zusammen: Warmer Pferdeleberkäse, frischer Kraut- und Kartoffelsalat, Grammeln, Gänseschmalz, der Geruch von Brathendl zieht sich durch die schmalen Gässchen, die sich zwischen den Buden bilden - ein Vormittag am Rochusmarkt. "Hören S' des?", sagt Helga Weber, Besitzerin des Wild- und Geflügelstandes, zu einer Kundin, die bloß wissend die Augen verdreht. Es wird bereits gebohrt.

Die Frauen werden sich an Baustellengeräusche gewöhnen müssen. Am Montag hat der Abbruch der Post am Rochusmarkt begonnen. Bis 2017 sollen eine neue Unternehmenszentrale, eine Tiefgarage mit über 200 Stellplätzen und ein kleines Einkaufszentrum inklusive "zeitgemäßer Postfiliale" entstehen. Erhalten wird lediglich die denkmalgeschützte Art-déco-Fassade des Baus, der in zwei Jahren rund tausend Postmitarbeitern neuen Arbeitsplatz bieten soll.

"Retourkutsche" bei Wahl

"Der bestehende urbane Lebens- und Leidenschaftsraum Rochusmarkt wird nachhaltig weiterentwickelt und stark aufgewertet", schreibt die Post in einer Aussendung an Anrainer. "Wiener Standl-Sterben" nennt es die Empfängerin des Postwurfs. "In Gehweite gibt es bereits die Mall Wien Mitte und die Galleria Landstraße; wir brauchen kein weiteres Einkaufszentrum, sondern ein Seniorenheim oder einen Park", sagt Karin Rauscha, die auch unweit des Marktgebiets wohnt. "Aber wir wurden ja nicht gefragt."

Angst, dass durch das neue Einkaufszentrum dem Markt die Kunden ausbleiben, haben die wenigsten Standbesitzer. "Aber der Dreck und der Lärm, für diese Belästigungen werden wir ja nicht entschädigt", sagt Weber, die bereits seit über vierzig Jahren am Rochusmarkt arbeitet. "Es gibt schon jetzt kaum noch kleine Bäcker und Fleischhauer, die Märkte werden sukzessive ruiniert." Ihre Kundin stimmt ihr zu: "Doch dafür wird der Bezirksvorsteher bei der kommenden Wahl die Retourkutsche kriegen." (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 17.2.2015)