Eigentlich waren die Karten verteilt: Der wankende Kreditnehmer trifft den Geldgeber, um Auswege aus der verfahrenen Situation zu finden. Normalsterbliche Schuldner wissen, was in solchen Fällen zu tun ist: Ein gutes Konzept, eine ordentliche Portion Höflichkeit und viel Überzeugungskraft sind notwendig, um die Geldader weiter schlagen zu lassen.

Doch Athen ist anders. Die neue Regierung unter Alexis Tsipras versucht den Spieß umzudrehen und aus dem Geldgeber einen Bittsteller zu machen. Aus Sorge um eine unkontrollierbare Reaktion nach einem Ende der Liquiditätsspritzen werde die Eurozone schon Sympathien für die neuen Ideen aus Athen entwickeln, lautete die Devise. Weshalb Finanzmininister Yiannis Varoufakis beim Krisentreffen mit seinen Amtskollegen der Eurozonen zwar über Gott und das Geld redete, nicht aber über konkrete Schritte seines Landes, wie die Rückzahlung neuer Kredite gesichert werden könne.

Das reichte dem Visavis, nachdem schon bei den Treffen in der vergangenen Woche konkrete Zusagen ausgeblieben waren: Die Eurozone mit dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble als Leitwolf zog den Stecker. Das kann man ihm nicht verübeln. Gutes Geld schlechtem nachwerfen wird im österreichischen Strafgesetzbuch Insolvenzverschleppung genannt. Und erpressen, wie es Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling ungeschminkt aussprach, lässt sich die Währungsunion nicht. Denn: Die Karten sind tatsächlich verteilt, nur hält Varoufakis ein schlechtes Blatt in Händen. Was noch schwerer wiegt: Alle kennen die griechischen Karten und durchschauen den Bluff.

Athen kann nun bis Freitag in sich gehen und seine Strategie überdenken. Ohne Einlenken werden erst die Banken krachen, denen die Europäische Zentralbank ohne Abkommen mit Griechenland den Hahn abdrehen dürfte, dann der Staat, auf den noch im Februar Schuldentilgungen zukommen. Nun liegt es an Athen zu entscheiden, ob das Land in der Eurozone verbleiben will.

Tsipras hat in einigen Punkten die Finger in die Wunden von Eurozone und Währungsfonds gelegt. Dass Griechenland unter der schweren Schuldenlast nicht alleine aufstehen kann, das bestätigt jeder vernünftige Ökonom. Doch letztlich gibt es keinen Nachlass der Kreditgeber ohne Gegenleistung, und die heißt: Grundlegende Reformen der Volkswirtschaft können nicht rückgängig gemacht werden. Mit der Wiedereinstellung von Beamten und dem Stopp von Privatisierungen hat Athen rote Linien überschritten. Wenn Athen nicht zur Vernunft kommt, wird sich Tsipras demnächst vor einem Scherbengericht wiederfinden. (Andreas Schnauder, derStandard.at, 16.2.2015)