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Proteste und Informationsveranstaltungen gehören in Österreich neuerdings zum ärztlichen Alltag. Dass im Wiener AKH seit Jänner 300 Operationen verschoben werden mussten, ist ein weiterer Effekt des neuen Ärzte-Arbeitszeitgesetzes.

Foto: APA/Helmuth Fohringer

Wien - Kaum ein Tag, an dem das neue Ärzte-Arbeitszeitgesetz nicht für Schlagzeilen sorgt. Nachdem dieses zehn Jahre verschleppt worden und seit Jänner in Kraft ist, sorgte vor wenigen Tagen die Meldung für Aufregung, der Wiener Krankenanstaltenverbund wolle bis 2018 an die 400 Stellen streichen.

Jetzt kommt aus dem Wiener AKH ein neuer Mahnruf, konkret von der Abteilung für Chirurgie. Ein führender Chirurg, der "wegen des Maulkorberlasses des Rektors" nicht namentlich genannt werden möchte, berichtet in einem Schreiben an die APA: "Wir haben seit 1. Jänner 2015 trotz aller Bemühungen, die Versorgung aufrechtzuerhalten, bereits 300 Operationen verschieben müssen." Und er warnt: "Wenn überfallsartig 48 Stunden im Arbeitszeitraum eingeführt werden sollten, gibt es in unserem Haus statt 40.000 nur noch 20.000 Operationen pro Jahr." Das Szenario des Arztes: "Notbetrieb" ab Anfang Mai, für ihn "medizi-nisch, menschlich und ethisch ein Desaster".

"Punktuelle Rufbereitschaft"

Der angesprochene Rektor, Wolfgang Schütz, bedauerte am Mittwoch zeitgleich, dass der AKH-Betriebsrat bei einer neuerlichen Verhandlungsrunde zur Umsetzung der neuen Arbeitszeitregelung ein "gutes und faires Angebot" abgelehnt hat. Das habe nämlich nicht nur vorgesehen, einen drohenden Einkommensverlust abzudecken, sondern wäre gar mit einem "beträchtlichen Reallohngewinn verbunden". Im Gegenzug soll die 48-Stunden-Regelung ab 1. Juli 2016 aber für alle Ärzte verbindlich sein.

Genau daran stoßen sich Betriebsrat und Ärztekammer: Eine Umstellung bis zu diesem Zeitpunkt sei "unrealistisch". Zu groß ist für den Wiener Ärztekammerpräsidenten Thomas Szekeres das "Delta zwischen den erwünschten 48 und den realen 60" Arbeitsstunden, auf die AKH-Ärzte derzeit mitunter kommen. Im Gespräch mit dem STANDARD kann er sich eine "punktuelle Rufbereitschaft" für AKH-Ärzte vorstellen.

Zentrale Notaufnahme

Szekeres, der auch intensiv an den Verhandlungen mit dem Krankenanstaltenverbund für die Wiener Gemeindespitäler eingebunden ist, hat noch einige andere Ideen, die er verwirklicht sehen möchte. Er spricht von "weniger Rettungszufahrten", dem spitals-übergreifenden "Zusammenlegen von Abteilungen" zur Nachtzeit sowie einer zentralen Notfallaufnahme. Für den Patienten könnte das heißen: "An den geraden Tagen" bieten "diese Spitäler" nachts Versorgung an, "an den ungeraden Tagen die anderen", skizziert Szekeres. Eine solche "Umorganisation im Betrieb" ist für den Wiener Ärztechef essenziell. Kommt es zu solchen "Begleitmaßnahmen", steht auch er zu der mit dem KAV getroffenen Vereinbarung: "Man kann natürlich Personal einsparen. Wir haben einer Reduktion der Journaldienste auch zugestimmt unter der Bedingung, dass es zu einer entsprechenden Umorganisation kommt."

Rechtlich nicht verbindlich

Letztlich liege es an den einzelnen Abteilungen, wie sie die Ende Jänner getroffene "Rahmenvereinbarung" umsetzen, sagt Szekeres. Für die für Anfang März geplante Urabstimmung unter den Wiener Spitalsärzten rechnet er mit "höherer Zustimmung". Rechtlich verbindlich ist das Ergebnis der elektronisch durchgeführten Urabstimmung nicht, aus politischer Räson werde man sich aber daran orientieren, glaubt Szekeres.

Bei einer weiteren Verhandlungsrunde mit Stadt Wien und KAV wollte er am Mittwoch noch einigen Nachbesserungsbedarf bei "technischen Details" anmelden. Fix ist aber bereits jetzt: "Ich bleibe bei meiner Zustimmung."

Damit auch die betroffenen Ärzte wissen, was genau auf sie zukommt, will ihnen die Ärztekammer in den nächsten Tagen den Vertragsentwurf zukommen lassen. Zudem wird es einen Online-Gehalts- und Arbeitszeitrechner geben. (riss, DER STANDARD, 18.2.2015)