In den 1980er Jahren erwarb Rudolf Leopold diesen von Kolo Moser für das Schlafzimmer von Gerta und Hans Eisler von Terramare entworfenen Schrank. Bis 2001 diente er seiner Ehefrau als privater Kleiderschrank. Laut Website des Museums habe "Frau Dr. Leopold bis heute keinen würdigen Ersatz gefunden".

Foto: Leopold Museum

Das Toilettezimmer von Gerta Eisler von Terramare, geborene Loew (spätere Felsövanyi) 1904: Ruhebett, Tisch und Stuhl aus weißem Ahornholz.

Foto: MAK

1981 gelangte Mosers Schiebetisch geschenkweise an das Museum für angewandte Kunst. Zu den Vorbesitzern gehörte Armando Hötzl, bis 1921 Direktor des Sanatoriums Loew.

Foto: MAK/Georg Mayer

Bild nicht mehr verfügbar.

Ansicht des Speisesalons in der Wohnung des Ehepaars Eisler von Terramare: Teile der Ausstattung befinden sich in Privat- oder Museumsbesitz.

Foto: Archiv

Ein Paar der von Kolo Moser 1903 entworfenen Stühle wechselte 2010 beim Münchener Auktionshaus Quittenbaum für 210.000 Euro den Besitzer.

Foto: Quittenbaum

Die Bedeutung und der hohe Wert einer Persönlichkeit wie Kolo Moser, streute Berta Zuckerkandl dem Mitbegründer der Wiener Werkstätte (WW) Rosen, läge darin, dass er als einer der ersten die Gefahr erkannte, die "malerischer Tendenzen" für die angewandten Künste jener Zeit barg. "Mitten im Taumel einer neu gewonnenen Liniensprache" bot er "den Lockungen" der Fantasie "mit eiserner Strenge" Halt. "Philosophisch geklügelter Nebengeschmack" fehle seinem Schaffen dagegen völlig.

Der 1904 im Juni-Heft der Zeitschrift Dekorative Kunst publizierte Artikel charakterisierte nicht nur "Professor Mosers" künstlerische Prinzipien, sondern erläuterte diese beispielhaft an einer "für ein junges Paar" ausgeführten Wohnungseinrichtung. Die auf 25 Seiten illustrierten Kreationen - insbesondere Möbel - gewährten Einblicke in ein Interieur, dessen Bewohner mehr als ein Jahrhundert lang anonym geblieben waren.

Im Vorfeld der von Rudolf Leopold initiierten Kolo Moser Retrospektive im Leopold Museum gelang Co-Kurator Gerd Pichler deren Identifizierung und war diesem hochinteressanten Forschungsresultat ein umfangreicher Katalogbeitrag gewidmet. Die Ausgangslage war ein Schiebetisch aus dem Toilettezimmer, der dem Museum für angewandte Kunst 1981 geschenkweise überlassen wurde. Laut Angaben des vorangegangenen Eigentümers stamme dieser aus weißem Ahornholz und mit schwarzer Marketerie verzierte Tisch aus dem Besitz eines Arztes namens Hötzl.

2007 Rätsel gelöst

Eine Herkunft, die jedoch nicht zu einem im Artikel 1904 verborgenen Hinweis zu passen schien. Konkret betraf dieser das Dekor des Speisezimmermobiliars: Die stilisierten Delfine und die einen Ölzweig im Schnabel haltenden Tauben, so Zuckerkandl, würden einer "ornamentalen Auslegung des Adelsprädikats" entsprechen. Nur, Armando Hötzl war nie nobilitiert worden. Der Zusammenhang erschloss sich über den Arbeitsplatz: das Sanatorium Loew, das von Anton Loew gegründete und in dieser Zeit nicht nur nobelste, sondern auch größte Privatkrankenhaus Wiens. Das Rätsel war gelöst.

Bei dem "jungen Paar" handelte es sich um Loews Tochter Gerta (Gertrud), die im Februar 1903 Hans Eisler von Terramare geheiratet hatte. Die Mietwohnung dürfte erst im darauffolgenden Herbst bezogen worden sein. Die Ehe währte allerdings nur kurz, 1907 war man bereits an separaten Adressen gemeldet.

Die Wohnungseinrichtung war, wie Pichler schlussfolgerte, "an den ärztlichen Direktor des Sanatoriums Dr. Hötzl weitergegeben worden". Tatsächlich war es eine innerfamiliäre Transaktion, wie Standard-Recherchen belegen: Denn Armando Hötzls Ehefrau Irene, geborene Cziner, war Gertas Cousine.

Auch dürften die Moser-Kreationen nicht allesamt zeitgleich übergeben worden sein: Ein Teil der Wohnzimmermöbel war temporär im Wintergarten des Sanatoriums untergebracht, wie eine undatierte Fotoaufnahme dokumentiert, die sich im Bezirksmuseum Alsergrund erhalten hat. Die einstige Ausstattung der Wohnung Eisler-Terramare ist längst in alle Winde verstreut. Anfang der 1980er Jahre war ein Großteil im Kunsthandel aufgetaucht und wechselte teils in Privatsammlungen.

Rudolf Leopold erwarb beispielsweise einen der beiden prachtvoll intarsierten Schlafzimmerschränke. Bis zur Eröffnung des Museums diente er seiner Ehefrau Elisabeth als privater Kleiderschrank. Bis heute, informiert die Museumswebsite, habe "Frau Dr. Leopold keinen würdigen Ersatz gefunden".

Provenienzcausa Loew

Der Schreibschrank aus Tujenholz mit Zitronenholz, den einst das Frühstückszimmer zierte, befindet sich heute im Victoria and Albert Museum. Stühle aus dem Speisesalon, von denen ein Paar bei Quittenbaum 2010 für 210.000 Euro versteigert wurden, befinden sich heute sowohl in Privatbesitz als auch in Museen (Badisches Landesmuseum Karlsruhe).

Aktuell offeriert Jugendstilspezialist Wolfgang Bauer (Bel Etage) den aus dem Toilettezimmer stammenden "Spitzenkasten aus weißem Ahornholz" - für stolze 500.000 Euro. Den bislang höchsten Wert bei einer Auktion hatte Sotheby's (London) 1994 notiert, als sich ein leidenschaftlicher Bieter den zweiten Schlafzimmerschrank etwa sechs Millionen Schilling (netto, exkl. Aufgeld) kosten lies. Dabei handelte es sich um den Sammler Ernst Ploil, der auch noch andere Gegenstände dieser Provenienz besitzt, die zuletzt 2013 im Zuge der Kolo Moser Ausstellung in der Neuen Galerie (New York) gastierten.

Dass er in seiner Funktion als Rechtsanwalt Jahre später Gertas Sohn Anthony Felsovanyi und nunmehr dessen Erben vertritt, ist dem Zufall geschuldet. In dieser Causa geht es, wie mehrfach berichtete, um ein seit September 2014 als Raubkunst erwiesenes Porträt, das Gustav Klimt 1902 von der jungen Gerta Loew malte. Es befindet sich im Bestand der von Ursula Ucicky gegründeten Klimt-Foundation (Vorstandsvorsitzender Peter Weinhäupl); ebenso ein Ensemble von (einst sechs, nun) fünf Zeichnungen Klimts, wie der Standard im November 2013 über Recherchen nachweisen konnte. Zwei dieser Zeichnungen waren dabei über ein Foto im eingangs erwähnten Artikel von 1904 dokumentiert. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 21./22.2.2015)