Sven Regener in der Farbe der Liebe. Diese dozierte er mit Element of Crime an zwei Abenden im Wiener Gasometer. Wenngleich er eine Zeile wie "Liebe ist kälter als der Tod" selbst nicht versteht.

Wien – Wer ins Horn stößt, hat meist was zu verkünden. Nicht immer nur Gutes, und auch wenn Sven Regener seine Trompete erhebt, damit das Mikrofon anvisiert, sie ansetzt und beatmet, bis sie tönt, ist die Nachricht nicht gleich heiter. Er verbreitet Melancholie und Sehnsucht. Allgegenwärtige Motive, die in der Musik seiner Band Element of Crime entsprechend auftauchen, aber niemals platt oder hinlänglich bekannt, und ohne in die Gefilde diesbezüglicher Verwüstungen zu taumeln, den Schlager.

Element of Crime singen zwar überwiegend auf Deutsch, doch in Regeners Texten steckt eine intellektuelle Renitenz, die seine Alltagsgeschichten pfeffert, anstatt sie, wie der Schlager, mit Likör und Windbäckerei zuzukleben. Pfeffer hingegen, das weiß jeder Küchenlehrling, kann die Äuglein zum Rinnen bringen, und dem verschließt sich die Berliner Band durchaus nicht.

Gepaart mit Regeners goschertem Idiom, seiner Schnauze, wie man dort, wo er herkommt, vielleicht sagt, ergibt es das zum Teil prächtigste Songwriting des deutschsprachigen Raums.

Beispielhaft dokumentiert wird diese Begabung bei dem im ersten von zwei Konzerten im Gasometer gegebenen Lied "Am Ende denk ich immer nur an dich". Mit dem ersten Satz wirft Regener das Kopfkino seines Publikums an. Es bleibt an seinen Lippen hängen, sieht die Geschichte, die er da erzählt, vorm inneren Auge wie einen Film in Zeitlupe ablaufen. Vornehmlich ist das nur ein Liebeslied, letztlich ein kleines Wunder. Und es spricht für die didaktische Qualität der Band, dass der ausverkaufte Saal dieses ruhige Kleinod mit ekstatischem Beifall bedenkt: Alltag und Ekstase, ein seltenes Paar.

Die Band steht dieses Mal zu fünft da oben. Mit dabei ist ein Saxofonist, dessen träges Spiel dem dominierenden Midtempo gut zuarbeitet. Keine Soli, kein Quatsch.

Im Midtempo gedeihen diese Geschichten am besten, da kann Regener, dieser Herr gewordene Damenspitz, eloquent erzählen und gleichzeitig an der Gitarre umgreifen. Hin und wieder zieht er forsch an, spielt sich in Liedern wie "Liebe ist kälter als der Tod" oder "Immer da wo du bist bin ich nie" um Atem und Spucke, rockt. "Wir können auch anders", sagt Regener da in seinem gut gefüllten Sakko, und wieder tobt der Saal.

Der ist ausverkauft mit Hipstern und Rentnern und allen dazwischen, die gekommen sind, um diesen Lehrstuhl dozieren zu hören. Um Zugehörigkeit zu dieser Alma Mater auszudrücken, bietet der Merchandise-Stand Sweater an, auf denen "Element of Crime University" steht, "established 1985". Oder T-Hemden mit dem immergrünen Spruch "Too Old to Die Young", dessen Wahrheitsgehalt angesichts von 30 Jahren Bandbestehen nicht schwindet.

"Immer nur geliebt"

Die Band liefert gerne im Countryrock ab, das ist ein geduldiger Übermittler, das Chanson ist auch nie fern, in Wien kommt bei einem das "Jammern und Picheln" hochleben lassenden Walzer wie Kaffee und Karin dankbar Volksfeststimmung auf. Zwischendurch gibt der 54-jährige Sänger kleine Anekdoten zum Besten und pflegt seinen Schlachtruf der "Romantik!".

Er kann ja nicht nur Lieder schreiben und singen, er schreibt auch erfolgreiche Bücher – Die Lehmann-Trilogie ... –, die durchaus als Kollateralsegen für die Band einzustufen sind.

2000 hat sie für eine Peter-Pan-Inszenierung Leander Haußmanns vier Songs eingespielt, einen davon, den zärtlichen "Immer nur geliebt", gab es am Samstag erstmals live zu hören. Schön war das, gleichzeitig verspürte man da Kummer. Zwar wurden letztes Jahr viele EOC-Alben auf Vinyl wiederaufgelegt, diese vier Songs, die locker zum Besten der Band zählen, waren aber nicht dabei. Wie heißt’s in einem ihrer Lieder? "Immer ist was." Aber alleweil. (Karl Fluch, DER STANDARD, 22.02.2015)