Für alle, die es vielleicht bisher nicht wahrhaben wollten: Wiens Bürgermeister Michael Häupl hat mit dem Abgesang auf die Vermögenssteuer die Machtverhältnisse in diesem Land wieder einmal klar unter Beweis gestellt. Wenn es dem wichtigsten Landesfürsten der SPÖ nicht in den Kram passt, werden Parteiprogramme mit einem Handstrich dem Altpapier beigemengt. Dem Bürgermeister ist der Wahlkampf wichtiger als die Reputation des (Wiener) Kanzlers, der wieder einmal ein Wahlversprechen brechen muss.

Nun darf man gespannt sein auf die Umsetzung der neuen SPÖ-Losung, die da lautet: Vermögenszuwachssteuern bleiben auf der Agenda. Zu diesen zählen nicht nur die Kapitalertragssteuer (inklusive jener auf Wertpapiergewinne) und die Immobiliensteuer, sondern nach Lesart der Roten auch die Erbschafts- und Schenkungssteuer. Ob Werner Faymann mit der Wiedereinführung dieser Abgabe die Blamage bei der Vermögenssteuer etwas mildern kann? Es wäre jedenfalls zu wünschen: nicht aus Mitleid mit dem Kanzler, nur in zweiter Linie wegen der damit verbundenen Einnahmen, sondern aus prinzipiellen Erwägungen.

Einem Land, das auf Vermögenssteuern verzichtet, Reichen mit dem Konstrukt der Privatstiftung entgegenkommt und dann auch noch Erbschaften und Schenkungen aus der Pflicht lässt, mangelt es an Gerechtigkeitssinn. Bei einer der stärksten Vermögenskonzentrationen in Europa, wie sie in Österreich festgestellt wurde, können nicht auch noch große Wertzuwächse ohne Erbringen einer Leistung begünstigt werden. Das verstößt gegen das vom Verfassungsgerichtshof anerkannte Leistungsfähigkeitsprinzip, nach dem jeder nach seinen Möglichkeiten zu besteuern ist.

Dieser Grundsatz entkräftet auch das Argument, wonach sich die Erbschaftssteuer wegen der hohen Belastung von Erwerbseinkommen erübrige: Nur eine ausgewogene Struktur verschiedener Abgabenarten kann die Erfüllung des Leistungsfähigkeitsprinzips gewährleisten. Denn nicht jedes Vermögen wurde durch Ansammlung bereits versteuerter Erträge gebildet. In der Debatte werden sicher noch zahlreiche andere altbekannte Argumente ins Treffen geführt werden, beispielsweise jene, wonach die Einhebung der Erbschaftssteuer insbesondere wegen der aufwändigen Bewertung von Immobilien mehr koste, als sie bringe. Doch erstens kann diese Gefahr durch ein entsprechend hohes Aufkommen aus der Abgabe gebannt werden; und zweitens ist eine völlig neue Bewertung von Liegenschaften ohnehin geboten, weil die völlig veralteten Einheitswerte auch bei der Einhebung der Grundsteuer oder von Gerichtsgebühren nach einer Reform schreien.

Keine Frage: Bei einer Ausgabenquote von knapp 53 Prozent der Wirtschaftsleistung steht deren Reduktion und nicht die Bedeckung der Verteilungswut durch neue Einnahmen im Fokus. Doch gerade weil es um eine signifikante Entlastung und eine Reform gehen soll, dürfen Aspekte der Steuergerechtigkeit nicht außer Acht gelassen werden.

Bleibt die ÖVP bei ihrem Njet, wird sie ihrer Klientel erklären müssen, warum sie auf eine höhere Senkung der Lohnsteuertarife zugunsten von Erben verzichtet. Da kleinere und mittlere Übertragungen durch großzügige Freibeträge verschont werden können, wird das Schlagwort von der Belastung des Mittelstands nicht ziehen. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 23.2.2015)