Peter Pilz bei der Pressekonferenz am Montag.

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Laut Pilz haben alle heimischen Mobilfunker SIM-Karten von Gemalto im Einsatz. Er geht davon aus, dass auch andere Hersteller Ziele der NSA und des GCHQ waren.

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Der ORF-Journalist Erich Möchel präsentierte Ende 2014 seine NSA-Recherchen auf dem Kongress des CCC. Demnach unterhält die NSA mindestens drei Lauschposten.

Für den Grünen-Abgeordneten Peter Pilz ist der "Überwachungs-GAU" eingetreten. Durch den Diebstahl geheimer Schlüssel bei dem SIM-Karten-Hersteller Gemalto seien NSA und ihr britisches Pendant GCHQ in der Lage, jedes Handy in eine Wanze sowie in einen Peilsender zu verwandeln. Pilz beruft sich dabei auf Dokumente des Whistleblowers Edward Snowden, die am Donnerstagabend vom Investigativportal "The Intercept" veröffentlicht wurden.

In einer Pressekonferenz am Montag forderte er nun Aufklärung und Sanktionen von der Bundesregierung. "Es muss geklärt werden, ob NSA und GCHQ nicht kriminelle Organisationen sind", so Pilz. Für die kommenden Wochen kündigte er weitere Enthüllungen an.

Überwachung von Telefonaten und SMS

Laut den Snowden-Papieren hat der US-Geheimdienst mithilfe der Briten schon vor Jahren das niederländische Unternehmen Gemalto attackiert, den weltgrößten Hersteller von SIM-Karten und anderen Sicherheitschips. Seitdem können sie die geheimen Schlüssel vieler Smartcards und SIM-Karten mitlesen und so Telefonate und SMS belauschen. Auch können so Handynutzer so mittels Stiller SMS leichter geortet werden.

Ein solcher Angriff sei auch auf den derzeit wichtigsten SIM-Karten-Lieferanten für Österreich, Giesecke & Devrient, geplant gewesen, wie Dokumente beschrieben, die dem Portal "The Intercept" vorlägen, sagte Pilz. Inwieweit dieser bereits erfolgt sei, sei noch nicht geklärt. Sicher sei aber, dass in Österreich bereits vier "special collection points" der NSA – drei in Wien, einer im Westen des Landes – dokumentiert seien.

13,1 Millionen SIM-Karten in Österreich betroffen

Das Ziel der NSA, so Pilz, sei seit einigen Jahren nicht mehr nur, Einzelne zu verfolgen und abzuhören, sondern das komplette Absaugen und Aufzeichnen aller Telekommunikation. Diese "Fulltake"-Strategie sei gut dokumentiert und werde bereits umgesetzt.

Pilz geht davon aus, dass fast alle österreichischen SIM-Karten erfolgreich angegriffen wurden. "Insgesamt gibt es in Österreich über 13,1 Millionen SIM-Karten", erzählte der Abgeordnete. Dementsprechend vehement fordert er eine parlamentarische Untersuchung über das Treiben der NSA und des GCHQ, da "Polizei und Staatsanwaltschaft diesbezüglich völlig versagt haben".

Sanktionen gefordert: "Kriminelle mit Diplomatenpässen sollen raus"

Zusätzlichen fordert er, die USA und Großbritannien mit Sanktionen zu belegen. So sollen sämtliche Verträge, die der Verfassungsschutz und die Bundesheer-Geheimdienste mit GCHQ, der NSA und der CIA unterhalten, gekündigt werden. Auch sollen der britische Botschafter und die US-Botschafterin in Außenministerium zitiert werden und auf EU-Ebene alle möglichen Schritte gesetzt werden.

Großbritannien müsse sich überlegen, ob sich das Land auf die Seite des US-amerikanischen "Überwachungsstaats" stelle oder ein europäischer Rechtsstaat sei, und solle sich entsprechend nicht mehr wie ein "Einbrecher" verhalten. Einmal mehr forderte Pilz die Ausweisung des Chefs der CIA-Residentur in Wien. "Kriminelle mit Diplomatenpässen sollen raus", so der Politiker.

Auch sollen Bundesregierung und Parlament alle Versuche der Mobilfunker unterstützen, die USA und Großbritannien auf Schadensersatz und Unterlassung zu klagen. "Die EU inklusive der Schweiz und Norwegen etc. hat rund 585 Millionen Einwohner. Rechnet man mit dem Austausch aller SIM-Cards, eine kostet rund fünf Euro, bei einer Mobilfunkpenetrationsrate von circa 120 Prozent, dann kommt man auf rund 3,5 Milliarden Euro", rechnete Pilz vor.

Innenministerium prüft

Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck betonte auf Anfrage des STANDARD, dass die Enthüllungen zu Gemalto als neue Informationen geprüft und bewertet werden müssen. Die Entscheidung über strafrechtliche Ermittlungen unterliege aber der Staatsanwaltschaft. Dort waren Aufklärungsversuche vergangenen Frühling "abgebrochen" worden, liegen also zurzeit auf Eis. Ob die Gemalto-Enthüllungen zu einer Wiederaufnahme der Ermittlungen führen, ist noch unklar. Die Staatsanwaltschaft war vorerst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. (Markus Sulzbacher, 23.2.2015)