Im Rahmen der Ausstellung "Vienna for Art's Sake" kontrastiert zeitgenössische Kunst für drei Monate das prunkvolle Ambiente der ehemaligen Residenz des Prinzen Eugen von Savoyen: Zu den 13, von Peter Noever ausgewählten Positionen, gehören: Vito + Maria Elena Acconci, Zaha Hadid, Magdalena Jetelová, Michael Kienzer, Hans Kupelwieser, the next enterprise, Hermann Nitsch, Eva Schlegel, Kiki Smith, Iv Toshain, Atelier Van Lieshout, Koen Vanmechelen, Manfred Wakolbinger.

Die Architekten von the next enterprise wollten etwa einen sinnlichen Barock zum Anfassen: "silent conquest" (2015) ist ein Licht- und Wasserspiel zum visuellen und taktilen Erleben, garniert mit einer Duftkomposition.

Foto: Wolfgang Woessner

Hans Kupelwieser: "Hütteldorf in Himmelpfort" (2015)

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Atelier Van Lieshout: "Mechanical Turk" (2015)

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Michael Kienzer: "Vierung" (2014/15)

Foto: Wolfgang Woessner

Wien - Aus der Idee entwickelt sich die Form. Das ist das Ideal. Welchen Gedanken will ich transportieren? Welchen Effekt erzeugen? Welche Fragen anregen? Welche Bilder vermitteln? Ein Konzept entsteht, das nach bestimmten formalen Lösungen, nach Materialien und Dimensionen verlangt. Selbst dann, wenn das Konzept das Experiment, das freie, unmittelbare, unkalkulierte Gestalten mit dem Material ist, folgt die Form der Idee.

Ist es nun Fadesse, eine unterhaltsame Spielerei - den Prozess umzukehren - also die Form zum Konzept zu erheben, ihr die Idee unterzuordnen? Oder doch eher Herausforderung, ein bedingungsloser Umstand, den man akzeptiert - oder auf den man provokativ reagiert?

"10 × 12 Zentimeter" lautet die Ansage des Projekts Imago Mundi, ein recht kompaktes - und obendrein zweidimensionales - Format für ein Weltarchiv der Kunst, das der seit 2008 sammelnde Modeunternehmer Luciano Benetton initiiert hat. Sein Plan: Eine Landkarte der Kunst, die in kompakten Archiven die Essenz aus 50 Ländern zusammenträgt. Nicht nur, dass die zur Verfügung gestellten Leinwände verkennen, dass heute Malerei nur ein Medium unter vielen ist, auch der nationalstaatliche Zugang ist allmählich überholt.

Und als ob man dieses Abzirkeln dadurch wieder aufheben könne, wird das Ganze im Internet auf einer, alle Stückerln des Interaktiven spielenden Webseite "der Weltöffentlichkeit präsentiert". Ja man kann die Kunst dort sogar nach Farben filtern, wie beim Onlineshopping. (Womöglich eine Reminiszenz an die Pulloverstapel in den Benetton-Filialen.) "21 yellow artworks from Senegal", "11 blue artworks from Australia", "4 purple artworks from Mongolia". Die Weltöffentlichkeit - das ist die Gegenleistung für die Künstler, die dem Weltunternehmer ihre "Kleinigkeiten" geschenkt haben - schenken mussten (sie hatten nur eine Option: gratis oder gar nicht): Bei der Biennale Venedig wird man in zwei prominenten Palazzi Auszüge der Kollektion präsentieren.

Unzumutbar? Do it

"Die Welt kennt keine Grenzen", sagt Benetton, um das alles noch absurder zu machen. Den Österreichteil, der nun in der Sala terrena des Winterpalais des Prinzen Eugen präsentiert wird, hat der ehemalige Mak-Direktor Peter Noever organisiert. Er sei kein Kurator, so Noever. Dieses Prinzip galt es vielmehr zu hinterfragen, und so wurde in einer Art Schneeballprinzip jeder Nominierte gebeten, einen weiteren einzuladen.

So behaglich war Noever das Ansinnen aber wohl nicht. Das Format? "Eigentlich unzumutbar". Eine Donation an Benetton? "Unzumutbar". Und doch wurde geschenkt. "Künstler und Künstlerinnen tun oft das, was sie nicht tun wollen. Sie beugen sich (oft eine Überlebensfrage) dem Diktat des Marktes, der Galerie, des Sammlers, des Auftraggebers," sinniert Noever im Katalog über diese Zwiespältigkeit. Und hat es dann doch getan - Kompromisse der Kunst zuliebe: Vienna for Art's Sake. - "Nein" gesagt hat im übrigen Daniel Spoerri. Chapeau!

Gereizt hat Noever, trotz Poltern stets Diplomat, die Anmaßung des Projekts: So ein Archiv schaffen zu wollen, sei eine "absolute Utopie. Das kann man nicht erreichen". Sich im Mitmachen verweigern? Kunstverweigerungskunst? Noever verneint. Und Johanna Braun hat auf ihre 120 Quadratzentimeter "No is No" gestickt.

Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, Noever erteile Benetton Lektionen: Die 161 präsentierten Positionen sind international - inkludieren Künstler wie Vito Acconci oder Christo. Ja, selbst Tote sind vertreten: Otto Muehl und Alfons Schilling wollten mittun, daher sind nun zwei leere Minileinwände dabei - eines hoch, eins quer gehängt. Manchen gelingt eine Geste, die ihrem Werk entspricht: minimieren einfach. Andere reagieren auf den Formatkrampf provokativ: schlitzen die Leinwand, pinnen einen Ballon dran, sprengen die "10 x 12"-Vorgabe. Viele liefern One-Minute-Works der anderen Art. Unaufwändiges. Manches wirkt ein wenig gebastelt. Der Wiedererkennungswert ist oft gleich null. Fragt man die Künstler nach dem Reiz des Formats, erntet man Schweigen. "Ein Archiv kann nur ein Hinweis sein. Ich würde infrage stellen, dass es eine Kunstsammlung ist", so Noever.

Hütteldorf in Himmelpfort

Benetton hat zwar nicht die Kunst fürs Archiv angekauft, hat aber die zweite Schau mitfinanziert: 13 Bildhauer und Bildhauerinnen wurden zu In-situ-Arbeiten, Reaktionen auf die barocke Architektur, eingeladen. 11.000 Euro standen jedem Ausstellungsteilnehmer zur Produktion zur Verfügung - Ankäufe winken auch hier nicht. Hans Kupelwieser reichte die Summe gerade um das Holz für seine Arbeit Hütteldorf in Himmelpfort zu finanzieren. Er passte einem der barocken Säle ein schlichtes Holzhaus ein, 9 x 6 x 5,5 Meter misst der Raum, der vom Duft frischen Holzes erfüllt ist. Zwischen den Latten schimmert das Gold des barocken Prunks hindurch: "Friede den Hütten! Krieg den Palästen!" stiftet der Künstler mit einem Büchner-Zitat den Konflikt. Sowas kann man nicht en miniature machen, das muss man im Durschreiten erfahren.

Das gilt auch für Manfred Walkobingers skulpturalen Eingriff, der auf die Geschichte des Hauses - das Palais des berühmtesten Feldherren des Hauses Österreich - anspielt und u.a. seine Fruchtbarkeitsobjekte zu Geschossen umdeutet: eine aggressive Geste im Goldkabinett. Das Kriegerische des einstigen Hausherren greift auch Magdalena Jetelová auf, die im Schlachtenbildersaal einen Hubschrauber kreisen lässt und Bilder "aus der göttlichen Perspektive" einer Drohne an die Decke projiziert.

Der im Krieg gegen die Osmanen so siegreiche Feldherr inspirierte Joep van Lieshout zu seinem Mechanical Turk: Er lässt einen Automaten von jener Zeit erzählen, ergänzt so die bis heute fehlende Perspektive der Türken auf die Habsburgerzeit. Des Prinzen Menagerie mit exotischen Vögeln und Tieren macht hingegen Koen Vanmechelen zum Thema: Zwischen Bergen aus goldgelbem Mais steht ein Käfig mit zwei Gelbbrustaras, ein metaphorisches Bild für den Gegensatz von Domestiziertem, von Kultur (Barock) und der Natur (Vögel).

Auch die lange Tafel von Hermann Nitsch, gedeckt mit Gläsern, Weinflaschen und anderen Utensilien für seine lithurgischen, rituellen Aktionen fügt sich stimmig in das barocke Ambiente. Dieses konterkariert Michael Kienzer in seinem Objekt Vierung: zum einen durch harte, brutale Linien und Materialien wie Aluminium; zum anderen greift er mit der Orgelpfeife, mit wuchtigen und filigranen Formen barocke Elemente auf. Prunk und Pracht hatten eben auch ihre Schattenseiten.

Spannungsvolle Interventionen, denen (im Unterschied zur Sammlung Titze im Vorjahr) der Dialog mit der historischen Architektur gelingt. Freilich würde diese Ausstellung auch ohne das Benetton-Archiv funktionieren, stattgefunden hätte sie ohne den Sponsor allerdings nicht. Das sind die Kompromisse, die die Museen heute eingehen. Ideal sind sie nicht. Sie sind vielmehr ein Spiegel der Verhältnisse. Die kann man hinnehmen. Aber nur mit dem Verweis auf eine andere Utopie, in der etwa auch die Künstler mehr als nur Ruhm und Ehre nach Hause tragen. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 27.2.2015, Langfassung)