Elend des Unkapputbaren: Der Wiener Künstler Christoph Weber rückt Beton – Material der Macht und der Gewalt – zuleibe.

Foto: Stefan Altenburger

Wien – Wenn die harten Kerle im Film straucheln, wenn sie taumeln und verletzlich werden, hat das etwas Anrührendes. Die fünf Betonblöcke von Christoph Weber haben etwas von diesen breitbeinigen Helden, die das Schicksal in die Knie zwingt, an sich, ein Hauch von Titanic, also einem bei der Jungfernfahrt abgesoffenen Ozeanriesen: Noch irgendwie an der Wand der Galerie nächst St. Stephan Halt und Stütze suchend, sacken die Blöcke einer nach dem anderen in sich zusammen, knicken weg, brechen auf, geben ihr poröses Inneres preis.

Vielleicht sieht hier manch’ Betrachter nur fehlerhafte Betonblöcke, statt eines traurigen Elends. Brachial, behäbig, aber vor allem schier unendlich belastbar – ja regelrecht unkaputtbar! – so hat Beton schließlich zu sein. Stattdessen ist das Material aber dramatisch gescheitert. Und im Scheitern wirken die Objekte plötzlich so menschlich.

Weber verlässt sich auf die Ausdruckskraft seines Materials, benötigt keine Textebene, wie es die Konzeptkunst oft bedarf; die Skulpturen sind aber nicht reines Material, wie in der Minimal Art, sondern zehren von den assoziativen Kontexten, vom Aufgeladensein mit Bedeutung.

Denkt man an Beton, den Baustoff der Moderne, fallen einem die abweisenden Betonburgen der 1980er-Jahre ein, Brückenfundamente, Bunker, die tödlichen Betonschuhe der Mafia. Trotz Stabilität und Langlebigkeit, positiv sind die Assoziationen zum Baustoff meist trotzdem nicht, obwohl ja in jüngster Zeit Beton sogar im Designbereich – vom Schreibtisch bis zur Vase – boomt. Für Christoph Weber (geb. 1974 in Wien) ist Beton – das in den letzten Jahren zu seinem ausschließlichen Werkstoff geworden ist –, Material der Macht und der Gewalt. Beton als Substanz der Grenzbefestigungen, wie jene der Berliner Mauer oder der Sperranlage in Gaza.

Letztere thematisierte der Künstler 2010 expliziter: Auch damals verletzte er "konstruktives" Baumaterial, kratzte in Beton, ritzte in Ton. Noch aggressiver war die Geste, mit der er die Silhouette der Grenzbarriere nachzog: Er schleuderte das Material an die Wand. In seiner Dekonstruktion des symbolisch aufgeladenen Materials geht Christoph Weber nun noch einen Schritt weiter: Er nutzt Beton nicht mehr zur Darstellung, sondern bricht dessen Eigenschaften ganz unmittelbar. Vor dem Aushärten ist der Beton verletzlich, dann setzt er das Material seiner skulpturalen Körper verschiedensten Kräften aus, legt ein Stahlrohr unter oder versetzt den Blöcken einen Schubs. Er findet den wunden Punkt. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 28.2./1.3.2015)