Warschau - Eine geheime Ermittlungsgruppe im polnischen Innenministerium soll die Chefs der heimische Geheimdienste abgehört haben. Das berichtete die Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" unter Berufung auf anonyme Quellen aus den Geheimdiensten am Freitag. Demnach wollte Ex-Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz herausfinden, ob die Belauschten hinter der großen Abhöraffäre in Polen vom Juni 2014 standen.

Unter den Abgehörten waren der Zeitung zufolge die Chefs des ABW (Inlandsgeheimdienst), des SKW (Militärabwehr), des BOR (Regierungsschutz) sowie des CBA (Antikorruptionsbehörde). Nach Angaben der Zeitung habe Sienkiewicz vermutet, dass diese hinter einer Verschwörung gegen die Regierung ständen.

Rechtsbeugung

Auch soll Sienkiewicz die Arbeit der Gruppe direkt beaufsichtigt haben. In einer schriftlichen Antwort verneinte der ehemalige Innenminister die Vorwürfe. Er wisse nichts über die Tätigkeit einer solcher Gruppe, so Sienkiewicz.

Die angebliche Ermittlungsgruppe dürfte bei ihrem Lauschangriff auch rechtswidrig gehandelt haben. Der Zeitung zufolge habe sie sich in den Anträgen an das Gericht zur Bewilligung der Nutzung der Abhöranlagen auf den Artikel des Strafgesetzbuches, die organisierte Kriminalität und den Versuch des "Sturzes einer verfassungsmäßigen Behörde" des Staates betreffen, berufen. Um die Aktion geheim zu halten, sollen die Ermittler in den Anträgen keine Namen der Geheimdienstchefs angegeben, sondern eine Bewilligung zum Abhören angeblich unbekannter Telefonnummern beantragt haben, was laut der Zeitung Rechtsbeugung war.

Das Nachrichtenmagazin "Wprost" hatte Anfang Juni die Abhöraffäre in Polen mit der Veröffentlichung illegal abgehörter Gespräche ins Rollen gebracht. Die Affäre setzte die Regierung des damaligen Premiers Donald Tusk in den folgenden Monaten stark unter Druck. Die Opposition forderte sogar die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. (APA, 27.2.2015)