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Diana Krall - große Jazzinterpetin mit Hang zur Glätte.


Foto: EPA/ROBIN TOWNSEND

Wien - Als sie begann, die Jazzzeit nostalgisch hauchend zurückzudrehen, stand die CD-Welt noch panikfrei da, und man lebte in den frühen 1990ern. Diana Krall, von Bassist Ray Brown gefördert, wurde zur Zentralfigur einer Gruppe juveniler Vokalisten, die sich vornahmen, die 1950er- und 1960er-Jahre zu reanimieren, als etwa Ella Fitzgerald die Szene dominierte. Retrojazz wurde also en vogue. Er klang bekömmlich, kam in Form gediegen interpretierter alter Jazz-Hadern daher (oder als jazzig eingefärbtes Popmaterial) und brachte im Laufe der Zeit Namen wie Norah Jones, Melody Gardot und Madeleine Peyroux hervor. Auch Leute wie Harry Connick Jr., Michael Bublé und Jamie Cullum reiten bis heute auf jener Welle, die Krall auslöste.

Das Besondere an Krall: Ging so mancher Künstler als Eintagsfliege bald wieder einer Beschäftigung abseits des Scheinwerferlichts nach und begannen die CD-Branche arge Existenzsorgen zu plagen, wurde die Kanadierin zu einer internationalen Szenekonstante, die jegliche Jazzdimension sprengte. Ihre Konzerte waren unspektakuläre Belege vokaler und pianistischer Könnerschaft. Krall füllt jedoch nach und nach Hallen, die ansonsten nur Pop schafft.

Ihre Reinterpretation der Jazzhistorie suchte natürlich mit süßlichen Arrangementmitteln zu bezirzen; die CDs wirkten mitunter wie akustische Teppiche, deren Funktion sich darin erschöpft, in Warenhäusern kaufanregend zu sein, wobei das Krall offenbar einerlei ist. Vordere Chartplatzierungen sichern schließlich das Überleben, also: "Wo ist das Problem? Ich wäre auch glücklich, wenn die Platte Nummer eins im International House and Horse Magazine wäre. Man darf da kein Snob sein" , so Krall, deren künstlerischer Kern bei aller Suche nach Breitewirkung erstaunlicherweise aber eben nicht untergeht.

Wer live gehört hat, wie sie in Momenten der Reduktion klingt, hört eine unprätentiöse Stilistin der alten Schule, die es mit den alten Genregrößen aufnehmen kann. Ihr minimalistisch-heiserer Gesang steht dabei für Intimität und eine Art kühle Hitze des Ausdrucks, der auch banalen Songprodukten etwas Magie verleihen kann.

Akustischer Kompromiss

Hinter all der Arrangement- und Marketingschminke überlebt also eine trotzige Affinität zum kunstvollen Durchdringen und Vertiefen von Songmaterial. Auch auf dem neuen Album ist somit der kommerzielle Kompromiss zu hören - wie auch jener authentische Kern einer relaxten Interpretin: Wallflower (bei Universal) ist ein Ausflug in jene Zeit, da Krall als Teenager Hitparadenmaterial schätzte und in ihrem Zimmer Poster anschmachtete.

Da finden sich Schmalzversionen von Hadern wie California Dreamin' (von The Mamas and the Papas) wie auch Desperado von den Eagles. Auch das komplexe Meisterstück der 1970er, I'm Not in Love von 10cc oder Elton Johns Sentimental Sorry Seems To Be The Hardest Word wirken eher putzig arrangiert.

Immerhin aber ist der Sorry-Song auch in einer Liveversion zu hören, die Vergleiche ermöglicht und zeigt, welches interpretatorische Potenzial hier schlummert und hoffentlich eines Tages doch noch erblühen wird. Befreit von aller Kommerzschminke. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 3.3.2015)