Für den Bauträger Heimat Österreich errichtet Architekt Rüdiger Lainer im Sonnwendviertel am Wiener Hauptbahnhof eine Wohnanlage mit kleinen, abgespeckten Smart-Wohnungen und viel Lebensqualität.

Rendering: Rüdiger Lainer

Das Architektenbüro BKK-3, Planer der legendären Sargfabrik, baut für den Bauträger EGW Heimstätte ein Haus mit 200 geförderten Wohnungen und zahlreichen weiteren sozial ausgerichteten Einheiten.

Rendering: BKK-3

Wien - "Es muss nicht immer die teuerste Armatur und der teuerste Parkettboden sein", sagt Architekt Rüdiger Lainer. "Gerade in den letzten Jahren erkenne ich immer mehr einen gewissen Luxus des Sozialen." Für den Bauträger Heimat Österreich hat er im Sonnwendviertel auf dem Areal des ehemaligen Süd- und Ostbahnhofs ein Wohnhaus geplant, das genau diesen Kriterien folgt. Während die Wohneinheiten zugunsten der Budgetschonung eng und kompakt geschnitten sind, entfaltet sich zwischen den Wohnungen so etwas wie eine Großzügigkeit des Miteinanders.

Alleinerziehende im Dachgeschoß

"Üblicherweise wird das Dachgeschoß für freifinanziertes Wohnen genutzt, denn mit einem großen Penthouse am Dach lässt sich viel Geld machen", erklärt Oliver Sterl, Projektleiter im Büro Rüdiger Lainer und Partner. "Bei unserem Projekt im Sonnwendviertel ist das anders. Es ist all jenen Menschen vorbehalten, die sonst wenig privilegiert sind und die großen Herausforderungen standhalten müssen, nämlich alleinerziehenden Vätern und Müttern." Die Wohngruppen im letzten Stock bestehen aus zuschaltbaren Räumen und haben allesamt Zugang zu zwei riesigen Gemeinschaftsdachterrassen. Während Papa und Mama noch im Büro sitzen, können die Kinder einander an der frischen Luft begegnen.

"Die Smart-Kriterien können auf sehr unterschiedliche Weise interpretiert werden", meint Sterl. "Wir haben das Programm trotz seiner Kompaktheit so gestaltet, dass es niemals klein und eng, sondern immer luftig und großzügig wirkt." Auch die Kleinstwohnungen in den Regelgeschoßen lassen vielerlei Nutzung zu. Je nach Mieterwunsch kann eine 50-Quadratmeter-Wohnung als Loft oder aber als C-Typ mit einem kleinen Wohnzimmer und zwei Minischlafzimmern eingerichtet werden.

Mehr Tageslicht

Die simple Bauweise macht's möglich: Wie einst in der Gründerzeit wird die Last des Hauses einzig über die Außenmauern und eine Mittelmauer abgetragen. Der Rest dazwischen wird in Leichtbauweise errichtet und ist jederzeit umbaubar. Kleiner Kniff in der Fassade: Um die dicken Außenwände des Niedrigstenergiehauses (20 Zentimeter Wärmedämmung) dünner erscheinen zu lassen, werden die Fensterlaibungen konisch abgeschrägt. Dadurch gelangt mehr Tageslicht in den Raum.

"Das Thema Smart-Wohnen ist sehr komplex und muss immer im Paket gedacht werden", gemahnt der Architekt. "Das Modell Hongkong mit winzigen Zimmern und sonst nichts ist nicht die Lösung. Man muss den Bewohnerinnen und Bewohnern im Gegenzug einen Ausgleich zur kleinen, leistbaren Wohnung bieten."

Sozialer Freiraum als Mehrwert

Im Fall des plastisch zugeschnittenen Hauses im Sonnwendviertel mit seinen dramatischen Schluchten und expressionistisch geformten Balkonen ist dieser Mehrwert der soziale Freiraum: Das gesamte Erdgeschoß ist wohnungsfrei und dient kollektiven Nutzungen wie etwa Kindergarten, Gastronomie und Gewerbe. Auch ein kleines Stadtteilbüro der Caritas soll hier einziehen. Nicht zuletzt soll hier auch ein Seniorenwohnheim mit 84 Betten entstehen. Der Generationenmix ist garantiert.

"Der Bedarf nach sehr kleinen, leistbaren Wohnungen in Wien ist nach wie vor ungebrochen", erklärt Robert Böhnel, Projektleiter in der Bauabteilung bei der Heimat Österreich. "Wir haben erst am 16. März Spatenstich, und die Vermarktung hat offiziell noch nicht einmal begonnen, aber schon jetzt ist die Nachfrage nicht enden wollend." Gerade bei Smart-Wohnungen, in denen alles recht kompakt bemessen ist, sei eine gewisse Variabilität und nachträgliche Umbaubarkeit keine Selbstverständlichkeit. Dies empfinde ein Großteil der Interessenten als zusätzlichen Anreiz.

Wohngruppe und Jugend-WG

Auf demselben Grundstück ist auch der gemeinnützige Bauträger EGW Heimstätte tätig. Gemeinsam mit dem Wiener Architekturbüro BKK-3, besser bekannt als die Planerschaft hinter der mittlerweile weltberühmten Sargfabrik, entsteht hier ein Haus mit 200 Wohnungen, die ebenfalls zum überwiegenden Teil smart geschnitten sein sollen.

Geplant sind außerdem eine Wohngruppe "Heim 2000" für Kinder und Jugendliche mit einer Gemeinschaftsterrasse im dritten Stock, eine Jugend-WG "Housing First" der MA 11 sowie ein Stützpunkt für die Betreuungseinrichtung "LOK Leben ohne Krankenhaus", die sicherstellen soll, dass auch Menschen mit gesundheitlichen Problemen in ihrer eigenen Wohnung bleiben können. "Für mich ist das Funktionsprogramm in diesem Haus die Speerspitze des sozialen Wien", sagt BKK-3-Chefarchitekt Franz Sumnitsch.

Wie die Japaner

"In Westeuropa hat man bisweilen ziemliche Berührungsängste, was die Planung von Kleinstwohnungen betrifft", erklärt Sumnitsch. "Wenn man sich aber anschaut, was die Japaner aus einem kleinen Grundriss alles rausholen können, dann merkt man, dass man auch mit kompakten Zimmern unglaubliche räumliche Qualitäten erzielen kann." Kinderzimmer mit sechs Quadratmetern sind in Nippon - bedingt durch Grundstücksknappheit und hohe Wohnkosten - keine Seltenheit. Aufgrund der in den letzten Jahren explodierenden Mietpreise sei dieser Bedarf nun auch in Österreich gegeben, meint der Architekt.

Die wichtigsten Punkte, die es zu beachten gilt: "Ausnützung von Synergieeffekten, Mut zum Querdenken und die Reduktion auf das Wesentliche. Den unnützen Speck schneidet man einfach weg. Wenn man sicherstellt, dass im Wohnumfeld eine gewisse Lebens- und Versorgungsqualität gegeben ist, dann geht das Konzept auf." Das Gesamtinvestitionsvolumen beläuft sich auf 45 Millionen Euro. Die Fertigstellung ist für Frühjahr 2017 geplant. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 4.3.2015)