Gerhard Hochwarter hat aufgerufen, gegen den neuen Dienstvertrag zu stimmen. Er hofft auf Nachverhandlungen.

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STANDARD: Ist der neue Vertrag für Wiener KAV-Ärzte ein Erfolg?

Hochwarter: Nein, die Verhandler haben sich über den Tisch ziehen lassen. Mehrere Passagen sind nicht akzeptabel. Am gravierendsten ist, dass bis 2018 382 Ärzteposten gestrichen werden sollen - das sind zwölf Prozent. Gleichzeitig gibt es in den letzten 20 Jahren einen Bevölkerungsanstieg in Wien von 200.000 Menschen, auch das Durchschnittsalter ist um drei Jahre gestiegen. Es gibt daher einen Mehrbedarf an Ärzten.

STANDARD: Diese Postenreduktion wird von der Stadt Wien als Strukturmaßnahme verkauft. Ist es aber ein Sparprogramm?

Hochwarter:Selbstverständlich. Die Ärzte sitzen ja nicht herum und schauen in die Luft, sie leisten Arbeit für die Gesundheitsversorgung. Wenn die Arbeitszeit gesetzlich um 20 Prozent verkürzt wird, muss das durch mehr Ärzte ausgeglichen werden. Die medizinische Versorgung der Öffentlichkeit ist Aufgabe des Sozialstaats, deswegen muss sie über Spitäler sichergestellt werden. Wenn eine Reduzierung vorgesehen ist, dann ist das der Abschied vom öffentlichen Gesundheitssystem. Aber das Allerübelste ist, dass Dienstnehmervertreter, also auch die Ärztekammer, dieser Postenreduktion zugestimmt haben. Das ist ein No-Go.

STANDARD: Für Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres überwiegen die Vorteile des neuen Vertrages, Sie kritisieren die Nachteile. Was sind die Nachteile für die Ärzte?

Hochwarter:Überstunden werden erst bezahlt, wenn die monatliche Sollarbeitszeit erfüllt ist. Damit fallen Nachtdienste am Anfang des Monats unter Normalarbeitszeit, am Ende des Monats sind es aber bezahlte Überstunden. Das führt zu unsolidarischem Verhalten, weil alle nur die Dienste am Ende des Monats machen wollen.

STANDARD: Wie bewerten Sie die Erhöhung des Grundgehalts?

Hochwarter:Das war die wichtigste Forderung, sie wurde aber nur zum Teil erfüllt, dabei sollte es um wettbewerbsfähige Gehälter gehen. Das ist eine Mogelpackung, weil auch die allgemeine Gehaltserhöhung für alle Gemeindebediensteten darin enthalten ist. Nur bei den Turnusärzten gibt es eine vernünftige Erhöhung von etwa 29 Prozent, ihre Zahl wird aber drastisch reduziert. Von etwa 1000 Turnusärzten sollen bis 2018 200 wegfallen.

STANDARD: Finden Sie die geplanten Umstrukturierungen in Spitälern, wie die Ausweitung der Kernarbeitszeit, nachvollziehbar?

Hochwarter:Sicher kann man über die bessere Verteilung medizinischer Leistungen diskutieren, nicht aber über Wegrationalisierungen. Man könnte auch über Schichtdienste nachdenken, damit die Infrastruktur besser genutzt wird.

STANDARD: Wird die Urabstimmung negativ ausgehen?

Hochwarter:Ich habe dazu aufgerufen, dagegen zu stimmen. Dann kann vernünftig nachverhandelt werden, um die Unsinnigkeiten auszubessern.

STANDARD: Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely hat bereits Nachverhandlungen ausgeschlossen.

Hochwarter:Mit solchen Drohungen versucht man, die Ärzte einzuschüchtern. Wehsely wird die Sensibilität aufbringen müssen, auf die Ärzte zu hören. (Marie-Theres Egyed, DER STANDARD, 5.3.2015)