Wien - Walter Dorner muss sich an keinen Maulkorberlass halten. Dementsprechend deutlich wird der einstige Präsident der Österreichischen Ärztekammer im Standard-Gespräch, wenn es um die Umsetzung des neuen Ärztearbeitszeitgesetzes geht: "Wenn man zehn Jahre lang weiß, dass man etwas tun muss und den Kopf in den Sand steckt, ist das eigentlich fahrlässig von der Politik."

Seit 2003 gibt es jene EU-Arbeitszeitrichtlinie, laut der auch Ärzte nicht mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten dürfen. Bis 2021 wird mittels Übergangsregelung noch ein Auge zugedrückt, aber dann ist Schluss mit bis zu 72 Wochenstunden, wie sie im Alltag des österreichischen Spitalsarztes bislang keine Seltenheit waren. In Kombination mit im internationalen Vergleich niedrigen Grundgehältern (bei gleichzeitig gut dotierten Nachtdiensten) ergibt das keine einfache Ausgangslage für die Umsetzung der Richtlinie. Denn weniger Dienste bedeuten drastisch weniger Geld - weshalb hektisch an neuen Gehaltsschemata gebastelt wird, die nur scheinbar zu einem Paradoxon führen: mehr Geld für weniger Arbeit. Ein Überblick über die Spezifika der Bundesländer:

In Wien haben Stadt, Krankenanstaltenverbund und Ärztevertreter Ende Jänner ein Ergebnis präsentiert, ab heute, Donnerstag, bis Sonntag können die 3200 Wiener Ärzte der Gemeindespitäler darüber online abstimmen. Der Wiener Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres, der das Papier mitverhandelt hat, gibt sich zwar optimistisch, muss aber um die Gefolgschaft der Kollegen fürchten. Eine Protestkundgebung hinter dem Rathaus ist für den Abend geplant. Unangenehme Details sind in den vergangenen Wochen bekannt geworden, die der Vereinbarung an Strahlkraft nehmen. Darunter auch die Idee, bis 2018 382 Ärztestellen einzusparen. Auch die Umsetzung der Gesundheitsreform - also Patienten aus den Ambulanzen in den niedergelassenen Bereich zu lenken, steht wieder einmal auf der Agenda. Das sind die begleitenden "Strukturmaßnahmen", auf die Szekeres baut. Sie reichen nicht jedem: "Das ist ja nicht einmal ein Versprechen", findet Dorner. Und selbst Szekeres klingt nicht mehr ganz so überzeugt: "Die sind nicht sehr flexibel und arbeiten nicht sehr rasch", weiß er aus seiner bisherigen Zusammenarbeit mit dem KAV.

Und während der amtierende Ärztechef Artur Wechselberger trotz Kritik am "kurzfristigen politischen Denken" an ein positives Abstimmungsergebnis glaubt, fragt sich der Vorgänger: "Ob sich die Ärzte von diesen vagen Verlockungen blenden lassen? Dorner befindet: "Ich hoffe es nicht."

Unbestritten ist, dass das Grundgehalt erhöht wird. Turnusärzte bekommen nun 3400 Euro, für alle Ärzte gilt die Formel: neues Grundgehalt = altes Grundgehalt plus sechs Nachtdienste.

Anderer Ort, andere Rechnung. In Kärnten hat sich Ärztevertreter Josef Huber erst am Montag wieder mit dem regionalen Spitalsträger Kabeg an den Verhandlungstisch gesetzt. Was dort vorliegt, sei "lediglich für ein Drittel der Kollegen (nämlich der älteren, Anm.) zufriedenstellend". Der neue Vorschlag der Standesvertretung sieht unter anderem eine Verteilung der Sonderklassegebühren auch auf Jungärzte vor. Die 13,5 Millionen, die das Land geboten hat, müssten damit nicht zwingend aufgestockt werden, weshalb Huber auf einen gemeinsamen Vorschlag von Ärzten und Kabeg an das Land hofft. Nicht nur in Kärnten hat man sich für die Verhandlungen über die neue Arbeitszeitregelung und das neue Gehaltsschema, die Steiermark zum Vorbild genommen.

Das gilt auch für das Burgenland. Spitalsärztevertreterin Brigitte Steininger will die burgenländischen Ärzte "an das ostösterreichische Gehalt" angleichen. Nachsatz: Damit sei weniger Wien gemeint ("ganz so optimal ist das nicht"), als vielmehr die Steiermark ("ist unseren Strukturen viel ähnlicher"). Während aber in der Steiermark zehn bis 18 Prozent mehr Grundgehalt ausverhandelt wurden, kann Salzburg mit einem Plus von 30 bis 37 Prozent punkten. Das galt wieder für Wien - auch für das AKH - als Vorbild. Das Zugeständnis des Landes Salzburg erklärt sich auch durch die Nähe zu Deutschland, wo Ärzte bisher deutlich besser bezahlt wurden. Doch dazu mussten die Salzburger ihrem Gesundheitslandesrat Christian Stöckl (ÖVP) erst die weißen Arztkittel vor die Füße werfen. 13,5 Millionen Euro werden nun bereitgestellt, fast 84 Prozent der Ärzte stimmten dafür.

Die Freude in Oberösterreich über die ausverhandelte fünfzehn- bis 20-prozentige Gehaltserhöhung währte nicht lange. Eine Urabstimmung wird es erst nach Ostern geben. Bis dahin muss die Ärztekammer noch Überzeugungsarbeit leisten. Die Aussage von Landeshauptmann Pühringer (ÖVP), "Ich hau euch in die Pfanne, bis das Fett spritzt", ist nicht vergessen. Vorarlberg und Niederösterreich gelten übrigens als Streber. Sie haben das Gesetz schon umgesetzt und neue Gehaltsmodelle eingeführt. (Marie-Theres Egyed, Karin Riss, DER STANDARD, 5.3.2015)