Besonders junge Menschen können sich den Traum vom Eigenheim immer seltener erfüllen. Nun soll es mehr sozialen Wohnbau geben - zumindest wenn man den Wahlversprechen Glauben schenken darf.

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Die Liebe der Briten zum Eigenheim ist ungebrochen. Im vergangenen Jahr führte die Immobilien-Website Rightmove unangefochten die Google-Rangliste der am häufigsten nachgefragten Geschäftsauftritte an, weit vor Einzelhändlern wie John Lewis oder Ikea. Freilich wird dabei nicht gemessen, wie viele hoffnungsvolle Häuslbauer auch tatsächlich Erfolg haben.

Seit 2003 gibt es nämlich viele enttäusche Hoffnungen. Damals waren noch 71 Prozent aller Haushalte auf der Insel in Eigenbesitz. Seither verzeichnen die Statistiker ein stetiges Absinken. Besonders junge Leute können sich den Traum von den eigenen vier Wänden immer seltener erfüllen. Waren vor zehn Jahren noch 59 Prozent aller 25- bis 34-Jährigen stolze Immobilienbesitzer, gehörten im vergangenen Jahr nur noch 36 Prozent in diese Kategorie - das war der niedrigste Wert seit den 1980er-Jahren.

Mieter schlechtergestellt

Angesichts stetig wachsender Preise warnt David Orr vom Dachverband der Wohnungsgenossenschaften davor, "dass sich bald nur noch wenige Privilegierte ihre Wohnung leisten können". Das Problem ist besonders drängend, weil Mieter in Großbritannien im Vergleich zu vielen kontinentaleuropäischen Ländern deutlich schlechtergestellt sind und mehr bezahlen. Eine "Generation von Mietern" gilt deshalb als Schreckgespenst.

Die Probleme junger Erwachsener kontrastieren mit dem zunehmenden Wohlstand der älteren Generation. Diese steckt ihr Erspartes gern in Immobilien, die sie dann teuer vermietet - genau wie Investoren aus aller Welt, von russischen und griechischen Oligarchen bis hin zu US-Investmentfonds.

Weil die Verdrängung in den größeren Städten und ganz besonders in der Metropole London zunehmend Probleme aufwirft, konkurrieren die Parteien im heißer werdenden Unterhaus-Wahlkampf mit neuen Ankündigungen für mehr sozialen Wohnungsbau.

Ermäßigte Kredite

Londons Bürgermeister Boris Johnson, der im Mai zusätzlich auch ins Parlament einziehen will, spricht von 500.000 neuen Einheiten binnen zehn Jahren. Sein Parteichef, Premierminister David Cameron, verspricht die Ausweitung des sogenannten "Help to buy"-Programms, mit dem seine konservativ-liberale Koalition schon bisher jungen Familien hilft.

In Zukunft sollen Briten unter 40 Jahren ermäßigte Kredite für kleine Häuser und Wohnungen von bis zu 260.000 Euro erhalten. Binnen fünf Jahren wollen die Konservativen 200.000 dieser Billigimmobilien bauen lassen - ein Ziel, das ein Branchenexperte in der Financial Times als "sehr ambitioniert" bezeichnete. Zudem bleibt die Finanzierung unklar.

Da reichen sich die regierungserfahrenen Torys die Hände mit den grünen Newcomern, die bisher im Unterhaus nur durch eine einzige Abgeordnete vertreten sind. Spitzenkandidatin Natalie Bennett musste sich kürzlich verhöhnen lassen, weil sie keinerlei Finanzierung für ihr angestrebtes Ziel von 500.000 neuen Sozialwohnungen vorlegen konnte. Innovative Ideen gibt es zuhauf.

Alex Hilton von der Lobbygruppe "Generation Rent" argumentiert dafür, private Vermieter stärker zur Kasse zu bitten. Bisher sind diese von der Kapitalertragssteuer ausgenommen und genießen auch andere Steuerprivilegien. Dabei ist der Wert von Mietimmobilien auf dem britischen Markt der Maklerfirma Savills zufolge seit 2002 um 322 Prozent auf 1,59 Billionen Euro gestiegen - ein Ausdruck der wachsenden Nachfrage bei viel zu geringem Angebot.

Zum Bauen ermutigt

Die Zahlen sind erschreckend. Während die Bevölkerung stetig wächst, wurden jüngster Statistik zufolge zuletzt jährlich kaum mehr als 130.000 neue Einheiten in Angriff genommen. Dabei wären zur Bedarfsdeckung jährlich beinahe 300.000 nötig.

Insofern wirkt das Ziel der Labour-Opposition beinahe zu bescheiden: Sie spricht von 200.000 neuen Einheiten pro Jahr. Immobilienspekulanten, die ihr Land brachliegen lassen, soll es an den Kragen gehen, Städte und Gemeinden werden zum beinahe eingestellten Bau kommunaler Wohnungen ermutigt.

Im Labour-regierten Manchester geht der Stadtchef Richard Leese es an. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft kooperiert mit einem Privatunternehmen aus Abu Dhabi, die Baugenehmigungen für die ersten 800 Wohnungen sollen demnächst ergehen. Und anders als bisher soll es diesmal nicht darum gehen, schnellstmöglich an Privatinvestoren zu verkaufen. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 7.3.2015)