Links eine Rekonstruktion, rechts das Fossil unter Fluoreszenzlicht mit bunt markierten Beinen.

Foto: Ludwig-Maximilians-Universität München

München - Lebende Krabbenlarven findet man heute in jedem Planktonnetz massenhaft. Fossile Larven aber sind eine echte Rarität. Ein privater Sammler entdeckte ein solches Fossil in den Solnhofener Plattenkalken des Fränkischen Jura. Wie sich nun herausstellte, handelt es sich dabei mit einem Alter von 150 Millionen Jahren um die bisher älteste und am besten erhaltene bekannte Krabbenlarve der Welt.

Joachim und Carolin Haug von der Ludwig-Maximilians-Universität München stellten das Exemplar nun gemeinsam mit Joel Martin vom Natural History Museum of Los Angeles im Fachblatt "Nature Communications" vor. "Erstaunlicherweise hat die Larve schon eine sehr moderne Morphologie und ist äußerlich von vielen heutigen Krabbenlarven kaum zu unterscheiden", sagte Joachim Haug.

Schnelle Entwicklung

Die ersten Vertreter der Echten Krabben (Brachyura) erschienen in der Jurazeit vor rund 180 Millionen Jahren. Ihre Aufspaltung in zahlreiche spezialisierte Arten begann in der Kreidezeit vor etwa 100 Millionen Jahren, wobei vor etwa 50 Millionen Jahren die Artenvielfalt noch einmal signifikant zunahm. Trotz ihres vergleichsweise späten Starts entwickelte sich die Gruppe also morphologisch und ökologisch rasch weiter. Über die frühe Evolution der Krabben ist bisher aber nur wenig bekannt.

Echte Krabben durchlaufen während ihrer Entwicklung jedenfalls eine von zwei spezialisierten Larvenformen: die planktonischen Zoea-Stadien oder die sogenannte Megalopa. Die Megalopa bildet eine Übergangsform zwischen den Zoea-Stadien und den bodenlebenden älteren Krabben. "Jedes Entwicklungsstadium besetzt eine eigene ökologische Nische, was vermutlich dazu beiträgt, dass diese Krabben eine hoch erfolgreiche und sehr artenreiche Tiergruppe sind", so Haug.

Das nun beschriebene Exemplar stelle die einzige bekannte versteinerte Megalopa der Welt dar und ermögliche ganz neue Einblicke in die Evolution der Krabben, so der Forscher: "Die frühen Formen erwachsener Krabben sind noch wenig spezialisiert und sehr urtümlich, die fossile Larve dagegen könnte problemlos in eine der heutigen Krabbengruppen eingereiht werden."

Unabhängige Evolution

Schwanzfächer, Beine, Augen und Schild würden etwa schon weitgehend so aussehen wie bei vielen heutigen Arten. Dieses Erscheinungsbild deute darauf hin, dass die Larve als kleiner Räuber und Aasfresser auch bereits dieselbe ökologische Nische wie heutige Megalopae besetzt habe. Deren modern anmutende Morphologie sei demnach ein uraltes Erfolgsrezept.

Aus der Diskrepanz zwischen der urtümlichen Erscheinung der erwachsenen Tiere und der modernen Erscheinung der Larven schließen die Forscher, dass die Evolution der Krabbenlarven und der erwachsenen Krabben unabhängig voneinander ablief: Während die Larven sich schon früh spezialisierten, verharrten die erwachsenen Tiere noch in ihren ursprünglichen Formen - in diesem Fall haben die Kinder also den Eltern etwas voraus. (red, derStandard.at, 14.3.2015)