Es sind starke Frauen, die Ann-Christine Woehrl in ihrer Fotoserie In/Visible sichtbar macht. Selbstbewusst, authentisch, willensstark, widerspenstig und stolz. "Die Menschen müssen mich so akzeptieren, wie ich bin. Jetzt liebe ich mich. Ich habe gelernt, die innere Schönheit mehr zu schätzen - auch in anderen Menschen. Also versuche ich, auf das, was in meinem Herzen ist, stolz zu sein." Mit diesen Worten beschreibt Flavia, eine junge Frau aus Uganda den Prozess ihres unfassbaren Leidens. Sie ist eine von 48 Frauen, die die 1975 geborene Fotografin porträtiert hat. Die Gemeinsamkeit aller Frauen besteht darin, dass sie alle Opfer bzw. Überlebende von Säure- und Brandanschlägen sind.

Diese die Personen entstellenden Attacken geschehen überall auf der Welt, zumeist in Asien, jüngst aber zunehmend auch in Europa. Der "Acid Survivors Trust International" berichtet von 1500 Säure- und Brandattentaten pro Jahr. 1000 Opfer werden derzeit von der Vereinigung betreut, medizinisch, psychologisch, mit der Intention, sie vom Stigma zu befreien und ins Leben zurückzuführen.

"Ihre Narben ziehen die Blicke anderer auf sich. Sie werden offen angestarrt oder heimlich beäugt. Es ist bequemer für die Gesellschaft, jene, die nicht der Norm entsprechen, zu ignorieren und damit auszugrenzen, sie unsichtbar zu machen. Es sind nicht nur die Narben, unter denen sie ein Leben lang zu leiden haben. Es sind vor allem unsere Reaktionen, die sie zu Außenseitern machen." Woehrl hat die Überlebenden porträtiert, nicht als tragische Opfer, sondern als jene Menschen, die sie immer waren und trotz ihres unvorstellbaren Leidens geblieben sind.

Begleitet von Interviews und Texten, entstand ein einfühlsames Album, das die Betrachter herausfordert und inspiriert. Zu Recht prämiert u. a. mit dem One Eyeland Photography Award, dem Deutschen Fotobuchpreis und dem Fried Award. Eine Hommage an Frauen, die mit Demut und heroischer Kraft zugleich ihr besonderes Leben meistern. Verstörend, zugleich aber faszinierend. Wichtig! (Gregor Auenhammer, DER STANDARD, 12.3.2015)