Wien – Laut Regierung ist es die größte Steuerreform in der Geschichte der Zweiten Republik – das betonte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) nach der finalen Verhandlungsrunde Freitagfrüh. Immerhin wurde eine Entlastung um fünf Milliarden Euro beschlossen, vor allem für Klein- und Mittelverdiener.

Der Politologe Peter Filzmaier zeigt sich über diese Worte verwundert: "Rein rechnerisch ist eine Jahrhundertreform vielleicht zu argumentieren, aber die Reform ist von zwei Regierungsparteien beschlossen worden, die schon sehr lange – auch gemeinsam – regieren." Die ÖVP war seit 1987 in jeder Regierung vertreten, die SPÖ stellte immerhin seit 1945 in 15 von 28 Bundesregierungen den Kanzler. "Man wird sich ja nicht selbst dafür kritisieren wollen, was man früher schlecht gemacht hat", sagt der Politologe.

Bittersüße Siegersuche

Einen großen Gewinner nach den Verhandlungen ortet Filzmaier weder aufseiten der SPÖ noch bei der ÖVP. Der wahre Sieger der Steuerreform sei nicht in der Politik, sondern bei den Bürgern zu finden. Denn am meisten profitiere der Durchschnittsverdiener. "Der Regierung ist es gelungen, eine halbwegs nennenswerte Ersparnis für eine relativ große Zahl von Steuerzahlern umzusetzen – so wird die Reform wahrscheinlich nicht als Hohn empfunden", analysiert Filzmaier.

Letzten Endes habe es für beide Parteien noch einen "Sweetener" gegeben. Darunter wird ein spät eingeführter Zusatzartikel verstanden, der eine bittere Pille im Endeffekt doch noch versüßt. Zwar habe die SPÖ keine klassischen Vermögens- und Erbschaftssteuern durchgesetzt – dafür aber eine Grunderwerbssteuer, die auch bei Geerbtem greift. Die ÖVP werde eine Registrierkassenpflicht hinnehmen müssen – aber im Gegenzug gebe es für die Wirtschaft eine Förderung von 200 Millionen Euro. (Sophie-Kristin Hausberger, derStandard.at, 13.3.2015)