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Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl verlangt Nachbesserungen.

Foto: apa/jäger

Wien - Das Steuerreformpaket ist aus Sicht der ÖVP-Wirtschaftsvertreter und des ÖVP-Bauernbundes noch nicht ganz fix: Der Wirtschaftsbund drängt auf Nachschärfungen im Gegenfinanzierungskonzept. Kritisiert werden die Registrierkassenpflicht, die höhere Mehrwertsteuer für Hotels, der Fall des Bankgeheimnisses bei Betriebsprüfungen oder die neue Grunderwerbssteuer. Der Baunernbund will die Grunderwerbssteuer anders geregelt wissen.

Registrierkassenpflicht und Freibetrag

"Wermutstropfen" sind die geplanten Finanzierungsmaßnahmen - auch die KESt- und Immobilienertragssteuererhöhung - für Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl. Bei der Registrierkassenpflicht "erwartet" er sich "Verbesserungen im parlamentarischen Prozess" - damit sie nicht zu einer bürokratischen Schikane werde. "Diskussionsbedarf" sieht er auch bei der Grunderwerbssteuer: "Die geplante Erhöhung ist trotz einer erhöhten Freibetragsgrenze von 900.000 Euro pro Betrieb und Steuerfall ein echtes Problem für die Betriebe." Beim Bankgeheimnis will er sichergestellt haben, dass die Offenlegung nur bei begründetem Verdacht erfolgt.

Auch wenn er sich "mehr gewünscht" hätte - an Strukturreformen -, begrüßte Leitl die Tarifentlastung sehr als wichtigen Beitrag zur Stärkung der Kaufkraft. Und war auch sehr zufrieden damit, dass es keine Erbschafts- und Vermögenssteuern gibt. Deshalb hat er im ÖVP-Vorstand am Nachmittag auch zugestimmt. Dies allerdings "nur unter Vorbehalt", wie Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Hauber in einer Aussendung kundtat: Nämlich, dass ausgabenseitige Reformen parallel auf den Weg gebracht werden müssten. Und es müsse nachgeschärft werden, aus Haubners Sicht vor allem bei der Registrierkassenpflicht.

Bauernbundchef Auer: "Harte Verhandlungen im Parlament nötig"

Das Reformpaket sichere den Wirtschaftsstandort statt ihn zu beschädigen, anerkannte Bauernbund-Präsident Jakob Auer - wenngleich auch er noch "harte Verhandlungen" im Parlament für nötig hält. Und zwar über die Details der Grunderwerbssteuer-Regelung für die Landwirtschaft. Sie soll zwar weiter auf Basis des Einheitswertes besteuert werden. Dafür müssten die Einheitswerte aber reformiert werden, sonst "wäre eine Verkehrswert-Besteuerung unaufhaltbar gewesen".

Mitterlehner hält "Nachschärfungsprozess" für möglich

Bundesparteichef Reinhold Mitterlehner hatte schon nach dem Parteivorstand von "Befürchtungen und Einwendungen" wegen der Gegenfinanzierung gesprochen - und gemeint, er halte da und dort einen Nachschärfungsprozess für möglich. Bei der Präsentation der Steuerreform mit Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) deutete er eine mögliche Lösung an: Den Hoteliers könnte man damit entgegenkommen, dass die Mehrwertsteuererhöhung von zehn auf 13 Prozent möglicherweise erst zum Halbjahr 2016 schlagend wird. Im Ö1-Morgenjournal erklärte Mitterlehner am Samstag, es gehen um Nachbesserungen und Präzisierungen, ohne das gesamte Paket infrage zu stellen.

Präzisierung könnte es etwa bei der Registrierkassenpflicht und der geplanten Aufhebung des Bankgeheimnisses für Firmenkonten geben. "Niemand steht unter Generalverdacht", so Mitterlehner. Beim Bankgeheimnis geht es darum, bei Prüfverfahren Konten offenzulegen. Aber auch das müsse man noch präzisieren, damit nicht der Verdacht aufkomme, jeder müsse alles offenlegen.

Schelling: Steuerreformpaket wird nicht aufgeschnürt

Alle angekündigten Gegenfinanzierungsmaßnahmen werden umgesetzt, stellte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) am Freitag klar. "Vom Grunde her" sei man sich in der ÖVP einig über die Umsetzung, betonte er in der ZIB2 unter Hinweis auf die Zustimmung Leitls im Vorstand.

Bodensser: "Schlag ins Gesicht für den Wirtschaftsstandort"

Scharfe Töne kamen aus der Tiroler und der Kärntner Wirtschaftskammer: Der Tiroler Kammerpräsident Jürgen Bodensser (ÖVP) nannte die Steuerreform einen "Schlag ins Gesicht für den Wirtschaftsstandort". Die Zeche würden der Westen und die mittelständischen Unternehmen zahlen - mit der Umsatzsteuererhöhung für Nächtigungen, die Registrierkassenpflicht und der Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Tirol sei davon "besonders negativ betroffen".

"In Wirklichkeit ein gewaltiges Belastungspaket" sei die Steuerreform für die Tourismusbetriebe, war der Spartenobmann der Kärntner Wirtschaftskammer, Herlmut Hinterlehner, "tief enttäuscht über die Details zur Gegenfinanzierung". Er sprach in einer Aussendung von einer "Steuerkeule" für die Tourismusbetriebe - durch die Anhebung der Mehrwertsteuer für Nächtigungen und die Anhebung der Abschreibdauer für Hotels von 30 auf 40 Jahre. Die Registrierkassenpflicht sei nicht nur ein empörender Generalverdacht, sondern auch von den Kosten her ein "weiterer unnotwendiger Schlag vor allem wieder gegen Klein- und Kleinstbetriebe".

Kritik vom Frauenbund

Frauenbund-Chefin Dorothea Schittenhelm hätte sich allerdings mehr für die Familien gewünscht. Und der Bauernbund stellt sich auf harte Verhandlungen über neue Einheitswerte ein.

ÖVP-Frauenchefin Schittenhelm freute sich im darüber, dass gerade Frauen als Niedrigverdienerinnen von der Entlastung profitieren. Aber sie hätte "gerne mehr für Familien gehabt, ein größeres Paket". Sie sei jedoch "Realistin" - und somit gelte: "So wie es jetzt ist, sind wir zufrieden." Schittenhelm stimmte im Vorstand am Freitag ebenfalls für das Reformpaket: "Wir waren eingebunden und es ist uns im Vorfeld gelungen, etwas abzuschwächen."

Kritik an Registrierkassenpflicht

Die vom Wirtschaftsflügel kritisierte Registrierkassenpflicht sei im Parteivorstand diskutiert worden, allerdings: "Ich verstehe die Aufregung nicht", sei dies doch "selbstverständlich", so Schittenhelm. Standler etwa treffe sie ohnehin nicht. Auch die Bedenken bei der Mehrwertsteuererhöhung müsse man ernst nehmen und diskutieren. Nun liege aber das Paket am Tisch und sei einstimmig angenommen worden. "Jetzt liegt es an uns, das tatsächlich umzusetzen", verwies die ÖVP-Frauenchefin und Abgeordnete auf den parlamentarischen Prozess.

ÖAAB und Pensionisten zufrieden

ÖAAB-Chefin und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zeigte sich in einer Aussendung komplett zufrieden mit dem "größten Entlastungspaket in der Geschichte der Zweiten Republik". Dem ÖAAB sei es wichtig gewesen, Niedrigverdiener und Familien zu entlasten, "das ist mit diesem Paket gesichert". Die langjährige ÖAAB-Forderung nach der besseren Berücksichtigung von Familien mit Kindern im Steuersystem werde umgesetzt, indem der Kinderfreibetrag verdoppelt werde.

Seniorenbund-Obmann Andreas Khol freut sich, dass wichtige Pensionistenforderungen - wie Krankenversicherungs-Gutschrift für niedrigere Pensionen oder Alleinverdiener-Absetzbetrag - erfüllt worden seien. Und er lobte, dass es den ÖVP-Verhandlern gelungen sei, "die Faymann-Steuern zu verhindern".

Grüne sehen soziale Schieflage verschärft

Die Kritik der Oppositionsparteien hält indes an. Für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geht die Reform an den wahren Kostenverursachern und offenen Baustellen vorbei, wie er in einer Aussendung erklärte. "Statt die vielen fleißigen und ehrlichen Unternehmer unter Pauschalverdacht zu stellen, sollte sich die Bundesregierung einmal die Gebarung der Bundesländer genauer ansehen", verwies er etwa auf die Eigenwerbung der Stadt Wien. FP-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller kritisierte, dass die Reform den Familien nichts bringe.

Grüne: "Größte Entlastung für Mittelschicht"

Für den Budgetsprecher der Grünen, Bruno Rossmann, bringt die Analyse des neuen Tarifs ein ernüchterndes Ergebnis. "Die soziale Schieflage verschärft sich. Die größte Entlastung erfährt die Mittelschicht. Niedrige Einkommen und damit Frauen profitieren nur unterdurchschnittlich. Gewinner sind die Superreichen und Stiftungsmilliärdäre."

Ein "hohles, rot-schwarzes Wahlzuckerl" ortete der stellvertretende Team-Stronach-Parteiobmann Wolfgang Auer. Klubchefin Waltraud Dietrich sprach von Wohlfühlzahlen ohne Nachhaltigkeit und positive Konsequenzen, außerdem setze Kanzler Werner Faymann (SPÖ) seine eigentumsfeindliche Politik fort. Die geplante Registrierkassenpflicht ist für sie ein Schlag ins Gesicht jedes fleißig arbeitenden Gastronomen des Landes.

Kritik kommt auch von der Jugend

Dass die Jugend draufzahle, kritisierte hingegen die Bundesjugendvertretung. Vielen jungen Arbeitnehmern bringe die Lohnsteuersenkung nichts, so die Vorsitzende Laura Schoch. Einerseits seien viele Jugendliche von Arbeitslosigkeit betroffen, andererseits werde es immer schwieriger, zu Erwerbsbeginn in einem Angestelltenverhältnis zu arbeiten. Von der Mehrwertsteuer-Erhöhung seien Jugendliche überproportional betroffen, und bei der Vermögensbesteuerung habe sich die Regierung zu wenig getraut.

Kritik übte auch der Umweltdachverband. Es sei unverständlich, dass trotz entsprechender Empfehlungen diverser nationaler und internationaler Experten bis hin zur EU-Kommission und zur OECD das Thema der "ökologisch fragwürdigen Subventionen und Steuerausnahmen" wieder nicht zum Umsteuern genutzt worden sei, so Franz Maier, ehrenamtlicher Präsident des Umweltdachverbandes. (APA, red, 14.3.2015)