Die neuen Naschmarkt-Straßenschilder.

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Wien - "Sie war für ihre Wortgewandtheit und auch für ihre Durchsetzungskraft bekannt", sagte Markus Rumelhart und versuchte also, die wesentliche Charakterzuschreibung der "Krawall-Minerl" möglichst diplomatisch auszudrücken. Die Minerl war im 19. Jahrhundert eine Standlerin am Naschmarkt, und die Stadt Wien erweist ihr jetzt eine späte Ehre: Nach ihr, vier ihrer damaligen Kolleginnen und einer fiktiven Standlerin werden Plätze und Gassen auf dem meistbesuchten Markt der Stadt benannt.

Es war zwar bekannt, dass die Wege und Kreuzungen am Naschmarkt durch offizielle Bezeichnungen wie Block A, B oder C und Standnummern identifizierbar sind; dass sie sich aber auch für die Benennung nach Personen qualifizieren, sei erst nach einer Prüfung herausgekommen, erklärte Rumelhart, der SPÖ-Bezirksvorsteher des Naschmarkt-Bezirks Mariahilf, bei der Präsentation der Straßenschilder am Montag.

Keine Bubenwelt vor hundert Jahren

Also gibt es ab sofort neben der Minerl-Gasse auch eine Mariedl- und eine ("Fischkopf"-)Reserl-Gasse sowie einen Johanna-Bauer- und einen Maria-Welser-Platz. Die Sopherl-Gasse ist als einzige nach einer erfundenen Figur benannt und soll ein Pseudonym für alle namenlosen Standlerinnen sein. Erdacht hatte das Sopherl der Wiener Schriftsteller Vinzenz Chiavacci, der der Welt auch den Herrn Adabei schenkte.

Dass es ausschließlich Frauennamen sind, entspreche dem Grundsatz, dass sämtliche neuen Straßennamen im Bezirk nach Frauen benannt werden, solange bis eine Geschlechterparität erreicht ist, sagte Rumelhart.

Dahinter steckt aber auch eine historische Wahrheit. Denn der Naschmarkt war immer schon fest in Frauenhand: 1916, nachdem der Markt vom Beginn der Wiedner Hauptstraße an seinen jetzigen Standort über dem Wien-Fluss verlegt worden war, standen 180 Standlern 350 Standlerinnen gegenüber. "Der Naschmarkt war keine Bubenwelt. Dort herrschte ein Matriarchat archaischer Strenge. Man traf männliche Wesen nur als herumkommandierte Lastträger", schrieb der Journalist Theodor Meysels 1960 über dieses "Reich der Frau".

Kritik am Markt ist bekannt

Die Neubenennung der Gassen ist eines von mehreren Projekten, die Rumelhart und Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) vorstellten. So beliebt der Markt mit über 64.000 wöchentlichen Besuchern sei, so sehr sei man sich über das Verbesserungspotenzial und die immer wieder geübte Kritik bewusst, sagte Frauenberger, die in ihrem Ressort auch für das Marktservice (MA 59) zuständig ist.

Vor allem bei der Produktvielfalt und der Gastronomie soll nachgebessert werden, und dazu beitragen soll ein samstägliches Bioeck. Am umgestalteten Landparteienplatz werden ausgewählte Unternehmen biologische Lebensmittel möglichst zeitnah nach der Ernte oder der Produktion verkaufen.

Das "Sackerl-Verhalten" lenken

Der EU-weiten Plastiksackerldebatte will man am Naschmarkt im Kleinen begegnen: Vorerst fünf Standler werden von Plastiksackerln auf Stoff- und Papiersackerln umstellen, die in der Pilotphase von der Stadt zur Verfügung gestellt werden. Eine parallele Informationskampagne soll das Konsumentenbewusstsein schärfen und schließlich das "Sackerl-Verhalten" lenken.

Vorreiter ist der Naschmarkt auch bei der neuen Website und der App der Wiener Märkte. Beide Medien beinhalten unter anderem ein Routing-System durch den Markt und einen Veranstaltungskalender. Das Profil der Märkte soll außerdem durch ein neues Logo an Kontur gewinnen.

Die Sanierung des Marktes läuft indes nach Plan, so Rumelhart. Im April beginnt mit dem Umbau der Schleifmühlbrücke der letzte Sanierungsakt. Die Brücke wird wie berichtet zu einer 500 Quadratmeter großen Begegnungszone. Mit Ende 2016 soll nach sechs Jahren die 15 Millionen Euro teure Revitalisierung des gesamten Marktes abgeschlossen sein – 250 Meter Kanal, 950 Meter Wasserleitungen und 6.000 Meter Stromkabel werden dann verlegt worden sein. (mcmt, derStandard.at, 16.3.2015)