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Klug, sprunghaft, selbstgerecht: Der griechische Finanzminister Varoufakis erscheint isoliert.

Foto: REUTERS/Alkis Konstantinidis

"Unbedeutend" nannte Griechenlands Finanzminister Yiannis Varoufakis die Liquiditätsprobleme seines Landes am vergangenen Sonntag im deutschen Fernsehen. "Wir laufen Gefahr, ohne Geld zu bleiben", korrigierte ihn gestern, Donnerstag, Yiannis Dragasakis, der griechische Vizepremier. Dragasakis fuhr mit seinem Regierungschef zum EU-Gipfel nach Brüssel, Varoufakis blieb zu Hause in Athen.

Es gibt nicht viele in der griechischen Hauptstadt, die dieser Tage auf das politische Überleben von Varoufakis setzen. Regierungschef Alexis Tsipras mag sich mit seinem Minister öffentlich am Restauranttisch sehen lassen. Doch die Kritiker des 53-jährigen Varoufakis, der als ebenso klug wie arrogant beschrieben wird, beeindruckt das nicht. Varoufakis könnte bald schon die Rolle des Sündenbocks übernehmen müssen für die hochfliegenden Pläne der linksgerichteten Regierungspartei Syriza, sagen Politiker, Wissenschafter und Medienleute in Athen.

Andere weisen auf den sprunghaften Stil des Ministers hin. "Er ist bekannt für seine nicht zu Ende geführten Projekte. Es würde mich nicht wundern, wenn er einen heldenhaften Abgang inszeniert, mit der Begründung, Tsipras sei seinen brillanten Ideen nicht gefolgt", sagt ein profunder Kenner Varoufakis.

"Warten auf Anweisungen"

Der Sprecher des Ministers mühte sich am Donnerstag, die Berichte über einen Zusammenbruch der technischen Gespräche in Athen zwischen Griechenlands Kreditgebern und der Regierung zu glätten, die deutsche Medien rasch in Umlauf gebracht hatten. Die technischen Teams seien weiter im Hotel in Athen, sagte Dimitris Yiannopoulos, von einem "Scheitern" könne man nicht sprechen. Die Teilnehmer würden vielmehr auf neue Anweisungen aus Brüssel von den "Institutionen" und den politischen Führern warten. "Institutionen" nennt die Links-rechts-Koalition in Athen nun die Kreditgeber von EZB, IWF und EU.

"Die Troika ist hier. Die Diskussionen werden mit den gleichen Teams und den gleichen Leuten geführt", erklärt Christos Staikouras, Vize-Finanzminister in der Vorgängerregierung des konservativen Premiers Antonis Samaras. Von wegen "neue Zeit" und Ende der Vorschriften durch die Gläubiger. Staikouras hat den Plan mit Zeitangaben und Themen der Gespräche, die vergangenen Freitag begannen und versandeten, als die Regierung am Mittwoch ihr erstes Gesetz durchs Parlament brachte: Lebensmittelhilfe und Gratisstrom für Bedürftige. Kostenpunkt 200 Millionen Euro. Die Troika alias Institutionen sind verärgert. Sie möchten erst gefragt werden, bevor die griechische Regierung Geld ausgibt.

Mit politischen Verhandlungen allein könne die Regierung ihre Ziele im Ausland nicht erreichen, kritisiert Staikouras im Gespräch mit dem Standard. "Die Kreditgeber wollen Zahlen sehen. Die Regierung sollte sich deshalb besser auf konkret bezifferbare Aktionen und auf politische Ziele konzentrieren."

Auf politische Verhandlungen zur Lösung der akut gewordenen Finanzkrise setzt aber Tsipras. Auf seinen Wunsch kommt beim EU-Gipfel in Brüssel eine kleine Runde zusammen, um über Griechenland zu beraten: die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EZB-Chef Mario Draghi und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Merkel dämpfte jedoch schon bei ihrem Eintreffen jede Hoffnung auf eine rasche Lösung: "Erwarten Sie keinen Durchbruch, denn das ist hier nicht der Rahmen. Die Entscheidungen werden in der Eurogruppe gefällt", erklärte sie, "und dabei bleibt es."

Juncker verärgert

Andere Mitglieder der Eurozone, wie der Luxemburger Xavier Bettel, zeigten sich etwas verschnupft, dass nur die großen Eurostaaten mit Tsipras sprechen können. Aber alle drückten die Hoffnung aus, dass die griechische Regierung zu sachlichen Verhandlungen komme und die Verpflichtungen der Vereinbarungen vom 20. Februar auch eingehalten werden.

Juncker, der sich für Athen besonders stark macht, zeigte sich verärgert, dass die Tsipras-Regierung mit der Entschädigungsdebatte vom Kern der Probleme ablenke. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hob hervor, dass "viele den Griechen helfen wollen, aber sie müssen sich auch helfen lassen". Es gehe nicht, wenn eine Regierung einfach erkläre, alles was ihre Vorgänger an Verpflichtungen eingegangen seien gelte nicht mehr.

Laut Schulz braucht Athen bald drei Milliarden Euro, um nicht zahlungsunfähig zu werden. Die EZB hat erneut den Rahmen für Notkredite um 400 Millionen Euro erhöht. (Markus Bernath aus Athen Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 20.3.2015)