Das mehrheitsfördernde Wahlrecht, auf das Wiens Bürgermeister Michael Häupl mit seiner SPÖ weiter beharrt, ist keinesfalls skandalös und beispiellos. In Griechenland etwa kam Anfang des Jahres Wahlsieger Syriza, die Partei von Ministerpräsident Alexis Tsipras, mit 36 Prozent der Stimmen auf 149 von 300 Mandate. Die SPÖ erhielt bei der Wien-Wahl 2010 für 44 Prozent der Stimmen 49 von 100 Sitze.

Bemerkenswert und bedenklich sind aber Bestimmungen, die in den Untiefen des Wiener Wahlrechts versteckt sind. So können die Sozialdemokraten aktuell jeden gemeinsamen Antrag von Grünen, FPÖ und ÖVP im zuständigen Ausschuss blockieren. Dort halten die Roten trotz Minderheit im Landtag die Absolute. Eine Mehrheit von Grünen, FPÖ und ÖVP hätte also nichts zu melden.

Ob die SPÖ die Theorie in die Praxis umsetzt, wird sich am Freitag zeigen. Die Grünen zeigen in ihrem Kampf um ein faireres Wahlrecht Ausdauer: Sie schrecken nach dem Platzen der Verhandlungen mit der SPÖ auch vor einem Deal mit der Opposition gegen den Koalitionspartner nicht zurück. Die Hoffnung gründet auf einem juristischen Trick, der eine sofortige Abstimmung im Landtag möglich machen soll. Die SPÖ gibt sich vor dem Showdown gelassen. Die Feinheiten des Wahlrechts würden ja fast keine Wähler interessieren, heißt es. Demokratiepolitisch wäre es wünschenswert, würde sich die SPÖ hier irren. (David Krutzler, DER STANDARD, 24.3.2015)