Die Vorrunde für die französischen Departementswahlen hat zu einem ambivalenten Resultat geführt: Die Franzosen wollten mit klar erkennbarer Sicherheit die regierenden Sozialisten unter Staatspräsident François Hollande sanktionieren. Das heißt aber noch lange nicht, dass man damit auch der Rechten zu einem Triumph verhelfen wollte. Die Frage nach dem Wahlsieger bei diesem Urnengang – der natürlich als Testwahl zu verstehen ist - ist deshalb gar nicht so klar zu beantworten. Sicher ist nur eines: Der Front National (FN) ist mit 25 Prozent der Stimmen eine ebenbürtige dritte Kraft neben den Konservativen (UMP) und den Sozialisten (PS) geworden.

Damit sprengt der Front National das Zweiparteiensystem der Fünften Republik auf: Charles de Gaulle stattete 1958 die fortan jeweils stärkste Partei mit einem Bonus aus, um stabile Verhältnisse zu schaffen. Mit drei ähnlich starken Parteien geht das Modell heutzutage aber nicht mehr auf. Das hat, wie auch die Departementswahlen zeigen, "Dreiecksurnengänge" (UMP-PS-FN) mit einem höchst unsicheren Ausgang zur Folge. De Gaulles Mehrheitswahlrecht wird zur politischen Lotterie.

Das wirft die Frage auf, wer letztlich profitiert, wenn der FN in immer mehr Wahlkreisen in die Stichwahl vorstößt. Auf den ersten Blick ist es eher die Linke, da sich die UMP ihre Stimmen mit rechts außen teilen muss. Mit seinem demagogischen Slogan "FNPS" wirft Nicolas Sarkozy den Sozialisten (SP) vor, sie förderten heimlich die Lepenisten (FN) seit der Mitterrand-Präsidentschaft (1981 bis 1995).

Am Wahlabend räumte der Expräsident und UMP-Chef unfreiwillig aber selbst ein, dass der FN der Linken ebenfalls massiv Stimmen abjagt: Er meinte, Le Pen habe den Syriza-Sieg in Griechenland begrüßt, gleich wie es die französische Linke getan habe. Was noch eher stimmt: Die Frontisten schlagen heute vor allem in armen und Arbeiterzonen Wurzeln, wo die Sozialisten traditionell stärker sind als die Bürgerlichen.

Vor diesem Hintergrund lieferten einander Sarkozy und der sozialistische Premierminister Manuel Valls nun einen wütenden Schlagabtausch. Der UMP-Chef erklärte kategorisch, seine Partei gehe mit dem FN keine lokalen Bündnisse ein – aber sie rufe im Fall eines Duells FN – PS auch nicht zur Wahl des Sozialisten auf, um die Rechtsextremen zu verhindern.

Erbost warf Valls Sarkozy am Montag vor, das sei ein "moralischer und politischer Fehler"; denn die republikanischen Kräfte, also PS und UMP, müssten sich gegenseitig unterstützen. Sarkozy denkt nicht daran. Um seine moralische Integrität gegenüber dem FN zu beweisen, plant er die Änderung des Parteinamens von "UMP" in "Die Republikaner", was in Frankreich einen positiven Beiklang hat.

Der neueste Clash zwischen den beiden Hitzköpfen Sarkozy und Valls ist natürlich auch ein Vorbote der Präsidentschaftswahl 2017. Indem sich die beiden wie Hund und Katz verfeinden, verdrängen sie indirekt auch den geschwächten Präsidenten Hollande aus dem Rampenlicht.

Le Pen verfolgt derweil lächelnd, wie sich ihre Gegner sogar parteiintern auf die Füße treten: Sarkozy und Alain Juppé auf der Rechten, Hollande und Valls auf der Linken. Nur sie hat die Investitur ihrer Partei für 2017 sicher. Beruhigt lehnt sie sich zurück und verfolgt, wie sie die französische Politik durcheinanderwirbelt. Der Frühling naht, die Saat des FN geht auf. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 24.3.2015)