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In Schlagzeilen, auf Titelbildern und in der inhaltlichen Gestaltung greifen Medien Frauen- und Männerstereotype auf und verbreiten sie weiter. Die britische Zeitung "The Sun" arbeitet dabei mit nackter Haut auf Seite drei.

Foto: EPA PHOTO/SINEAD LYNCH

Wien – Bilder von mächtigen und prägenden Personen belegen am meisten Platz in den Medien – würde diese Formel stimmen, hätten spärlich bekleidete, junge, weiße Frauen das Sagen in Politik und Wirtschaft. Diese seien nämlich eine der am stärksten repräsentierten Gruppen in den Werbungen, Fernsehsendungen, aber auch auf den Covern von Zeitungen, sagt Kommunikationswissenschafterin Martina Thiele in ihrem Vortrag beim diesjährigen Symposium der Wiener Werbewatchgroup. Statt einer realistischeren Darstellung weiblicher Körper tauchen in den letzten Jahren auch immer mehr Bilder von Männern auf, die nach langer Photoshop-Arbeit ebenfalls ein unerreichbares Ideal propagieren.

Altes Thema, neue Mitschuld

2012 nahm die Werbewatchgroup Wien ihre Arbeit auf, seitdem geht sie gegen sexistische Werbung in der Bundeshauptstadt vor. Am Mittwochabend veranstaltete sie ein Symposium mit dem Titel "Wahlverwandtschaften. Rollenbilder und Geschlechterklischees in Journalismus und Werbung". Zwischen einem Vortrag und einer Podiumsdiskussion standen auch die Teilnehmenden in regem Ideenaustausch.

Das Thema Sexismus und Medien beschäftigt aufmerksame LeserInnen und ZuseherInnen schon seit Jahrzehnten. Die Sozialwissenschaft zeigte sich erstmals in den 1970ern über Stereotype in den Fernsehwerbungen und Zeitungen alarmiert. Ändern konnte sie an den Bildern der fürsorglichen Hausfrau und des männlichen Experten im weißen Kittel bisher wenig, sie flimmern wie eh und je über Fernsehbildschirme und wiederholen sich in Prospekten und auf Plakaten. Neu ist aber, dass beim diesjährigen Treffen auch die JournalistInnen zur Verantwortung gezogen wurden.

Allergien müssen nicht nackt sein

Dass es im Jahr 2015 immer noch Probleme mit stereotypen Darstellungen gibt, zeigen die Cover an vorderster Front der Zeitungsverkaufsstände. Ein Gesundheitsmagazin illustriert das Thema Allergien auf dem Titelblatt mit einer nackten Frau; als Symbolbild für Frauen in der Wirtschaft dienen in einer Tageszeitung martialisch aufgereihte Stöckelschuhe.

"Werbung und Journalismus verfolgen unterschiedliche Ziele – beziehungsweise sollten sie verfolgen", sagt die Kommunikationsforscherin Thiele. Im Idealfall unterscheiden sich die Werbeindustrie und der Journalismus durch ihre Absichten: Gewinnmaximierung auf der einen Seite, ein gesellschaftlicher, demokratischer Auftrag auf der anderen. Der generelle Konsens in den Diskussionsrunden des Symposiums lautete: Die körperbetonten und stereotypen Bilder der Zeitungscover würden diesem Ideal widersprechen.

Der Merkel-Effekt schlägt zu

Aber wie sieht es aus, wenn man den Fokus vom Bild auf den Inhalt lenkt? Die deutsche Bundeskanzlerin erhöhte die Nennung und Darstellung von Frauen in der Politik so deutlich und sprunghaft, dass diese Veränderung einen eigenen Namen bekam: "Merkel-Effekt". Eine politische Ebene darunter sind Frauen aber unterrepräsentiert. Medienwissenschafter zählten Merkels Namen im Politikteil deutscher Zeitungen am häufigsten, dahinter lagen ihre sieben Minister, und erst dann tauchen in er quantitativen Auswertung die fünf Ministerinnen auf.

"Der Artikel wird als Produkt verstanden", sagt dieStandard.at-Redakteurin Ina Freudenschuss, "es fehlt die Reflexion über die gesellschaftliche Aufgabe des Journalismus." Mit etwa zwanzig BesucherInnen diskutierte sie in einer von vier Kleingruppen über Alltagssexismen im Journalismus – also Stereotype, die einerseits fest in der öffentlichen Wahrnehmung verankert sind, andererseits ein falsches Bild der Realität zeichnen.

Gleichheit verkauft sich schlecht

An konkreten Beispielen stellten die TeilnehmerInnen zwei grundsätzliche Probleme fest: Es gibt in den Redaktionen blinde Flecken, Themen, die einfach nicht wahrgenommen werden. Ein dreiseitiger Bericht über die Wiener Musikszene verabsäumte es beispielsweise, auch nur eine Frau unter den Musikschaffenden anzuführen. Andererseits sprechen sich die oberen Etagen mancher Zeitung gegen Artikel aus, die etwa auf Ungleichheiten zwischen Mann und Frau hinweisen. Das Argument dahinter laute zumeist: Das lässt sich nicht verkaufen.

Australien kennzeichnet Photoshop-Bilder

Zuweilen kommt die Veränderung auch aus den Medienhäusern selbst, wie Ulli Weish von der Universität Wien in der abschließenden Podiumsdiskussion an einem Beispiel belegte: Mit dem Voluntary Industry Code of Conduct on Body Image in Australien verpflichten sich Zeitschriften zur Kennzeichnung von Bildern, die nachbearbeitet wurden. Die Idee kam direkt von den australischen Mädchen-, Jugend- und Frauenzeitschriften, die falsche Körperbilder und den Trend zur Selbstoptimierung als gesellschaftliches Problem erkannten.

Wenn Medien ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nachkommen, empfahl Ulli Weish den TeilnehmerInnen des Symposiums vor allem eines: das konsequente Schreiben von Leserbriefen. Am besten solle man sich gleich in einer Gruppe von zehn Personen oder mehr zusammensetzen und die Briefe dann gemeinsam verschicken. (stum, dieStandard.at, 26.3.2015)