Das Gesicht? Die 1963 in Wien geborene Claudia Schumann entzieht ihr Antlitz dem Blick auf verschiedenste Weise.

Foto: o. T. (2010), Claudia Schumann

Die Geschichte der Menschheit besteht aus Köpfen. An dieser Gewissheit führt derzeit in der Wiener Galerie Hummel kein Weg vorbei: Von einer Lithografie von Toulouse-Lautrec über ein Fotoporträt Marcel Duchamps bis hin zu Zeichnungen Paul McCarthys oder Selbstporträts von Elke Krystufek reichen die fast 60 Werke, die Julius Hummel für Das Gesicht, die Augen, der Blick versammelt hat.

Obwohl man die Geburt des Porträts üblicherweise in die Renaissance datiert, hat er zudem einen keltischen Kultkopf, einen Buddha der Tang-Dynastie oder auch eine Maske der afrikanischen Volksgruppe Dogon integriert. Schließlich soll es in dem die Ausstellung begleitenden Symposium Sprache und Politik des Gesichts (am Institut für Wissenschaft und Kunst, IWK) Ende Mai dann auch darum gehen, inwiefern der religiöse und politische Kontext die Darstellungsweise und Ausdrucksform von Gesichtern mitgeprägt hat.

Dass es allerdings weder den Dogon noch den Menschen der chinesischen Tang-Dynastie um einen Ausdruck der Seele ging, ist in der Schau nicht nur angesichts der Gleichmut des Buddhas unübersehbar. Gerade die Masken haben neben ihrer rituellen Funktionen immer auch dazu gedient, Idealbilder zu konstruieren, statt Persönlichkeiten darzustellen.

Diese Raritäten sind in der Präsentation durchaus zu schätzen; in Bezug auf das Thema hat man mit den "jüngeren" Werken aber ohnehin schon mehr als genug zu tun. Mit der Porträtkunst im engeren Sinne lassen sich schließlich weder die surreal anmutende schwarze Madonna von Alberto Martini (1914) noch die symbolistisch aufgeladene Gouache von Simeon Solomon (1890) sehr unmittelbar in Verbindung bringen. Um einiges leichter geht das hingegen bei Oskar Kokoschka, der für seine Mappe der Köpfe (1935) unter anderem Adolf Loos und Herbert Walden porträtiert hat.

In der Schau, in der man sich keine Verdichtung des Themas erwarten darf, fällt außerdem eine Charakterstudie von Paul McCarthy positiv auf: Es handelt sich um ein karikaturhaftes Porträt des Dalai Lama (2006), das die übliche Aura des Bodhisattva bricht.

Während daneben Collagen von Jirí Kolár und Herbert Bayer sowie ein Film von Samuel Beckett und Alan Schneider zu den sehenswerten Einzelstücken gehören, formen die Aktionisten - dem Sammelschwerpunkt der Galerie entsprechend - ein eigenes Kapital: Zu sehen sind zum einen die nicht mehr ganz unbekannten Dokumentationen der Aktionen von Günter Brus und Rudolf Schwarzkogler; zum anderen kann man jedoch rare Aufnahmen von Hermann Nitsch oder eine Brus-Radierung (wieder)entdecken.

Sich Blickregimen entziehen

Erfreulicherweise sind auch ein paar Künstlerinnen sehr stark vertreten, die sich statt mit ihren Gesichtern mit Blickregimen auseinandersetzen: Auf einem Selbstporträt richtet Elke Krystufek die Kamera zurück auf die Betrachter, und auch die Fotografin Claudia Schumann hat die Blickwinkel auf ihren Körper sehr genau ausgewählt und ist in der Ausstellung gleich mit mehreren Fotoporträts vertreten. Der Thematik beinahe widersprechend entzieht sich Schumann darauf sogar jeder Gesichtserkennung und Identifizierung - dies jedoch sehr gelungen. (Christa Benzer, DER STANDARD, 28.3.2015)