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Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hofft, dass das neue Staatsschutzgesetz noch im Sommer beschlossen wird.

Foto: APA/EPA/ANTONIO BAT

Wien – Der Staatsschutz macht Ernst. Nach der jüngsten Großaktion gegen mutmaßliche Jihadisten in Krems und Wien mit insgesamt acht Festnahmen soll nun für das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) erstmals ein eigenes polizeiliches Staatsschutzgesetz (PStSG) geschaffen werden. Der Entwurf, der am Dienstag in Begutachtung geschickt wurde, hat es in sich. Vor allem die Kompetenzen im Rahmen der erweiterten Gefahrenabwehr sollen massiv ausgebaut werden. Unangetastet bleibt hingegen die bestehende doppelgleisige Struktur der militärischen und polizeilichen Dienste.

Für ihre Kernaufgabe, Terrorismus und Spionage zu bekämpfen, sollen die Staatsschützer sogar mehr Kompetenzen als die Kollegen der Kriminalpolizei erhalten. Sensible Materien würden nur für eine kleine Gruppe von Beamten zugänglich sein, sagten Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und BVT-Chef Peter Gridling bei einem Pressegespräch am Mittwoch. Sie wollen die Befugnisse flexibler gestalten: je größer die drohende Gefahr, desto größer auch die Befugnisse der Beamten.

Bis zu fünf Jahre Speicherdauer

Das neue Gesetz würde es den Behörden demnach leichter machen, vor Begehen einer Straftat einzuschreiten. Ermittlungsdaten sollen künftig länger gespeichert werden: nicht mehr wie bisher nur neun Monate, sondern bis zu fünf Jahre lang.

Mit der Einführung einer Definition eines verfassungsgefährdenden Angriffs soll ein konkret auf die Aufgaben des Verfassungsschutzes und der Terrorismusbekämpfung zugeschnittener Straftatenkatalog geschaffen werden. Damit könnten erstmals auch ausländische Spione belangt werden, die nicht zum Nachteil Österreichs schnüffeln. Bisher ging etwa der britische Geheimdienst MI6 (rechtlich) kein Risiko ein, wenn er auf österreichischem Boden bei den russischen Kollegen vom FSB spionierte. Diese Freizügigkeit, die Wien den Ruf als Agentenhauptstadt der Welt eingebracht hat, könnte also bald eingeschränkt werden. An der diplomatischen Immunität, dem bewährten Tarnmantel von Agenten, kann aber freilich auch das neue PStSG nicht rütteln.

Geheime Liste mit V-Leuten

"Zum vorbeugenden Schutz vor wahrscheinlichen verfassungsgefährdenden Angriffen" wollen die Staatsschützer auf alle Daten zugreifen, die schon das Sicherheitspolizeigesetz vorsieht. Wie DER STANDARD berichtete, dürften sie damit dann auch selbstständig Auskünfte über Kfz-Kennzeichen einholen.

Für Diskussionen dürfte noch die geplante "Vertrauenspersonenevidenz" sorgen. Dabei handelte es sich um eine Liste von V-Leuten, die der Staatsschutz bei Bedarf einsetzen will und die er auch bezahlen muss. Bei der Kriminalpolizei gibt es bereits eine derartige Liste samt Richtlinien für die Entlohnung. Ihre V-Leute dürfte das BVT geheim halten, andere Strafverfolgungsbehörden hätten nur dann ein Recht auf Auskunft, wenn gegen einen V-Mann der Verdacht der Staatsgefährdung vorläge.

Im Innenministerium sieht man kein Problem: Im strafrechtlichen Bereich sei es bereits "durchaus üblich, dass Vertrauenspersonen eingesetzt werden", betonte BVT-Chef Peter Gridling. Im Sicherheitspolizeigesetz, welches im Zuge der Erarbeitung des neuen Staatsschutzgesetzes ergänzt werde, habe diese Möglichkeit bisher gefehlt. Bisher sei dem BVT nur der Einsatz verdeckter Ermittler möglich gewesen, welche allerdings nur Polizeibeamte sein durften. Vertrauenspersonen seien allerdings sowohl im kriminalpolizeilichen Bereich als auch im Staatsschutz notwendig.

Pilz bestreitet Zustimmung

Die Innenministerin will aber auch den Rechtsschutz ausbauen. Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit sei bei der Erarbeitung des neuen Regelwerks besonders wichtig gewesen, so Mikl-Leitner. Zu allfälligen Kosten hieß es, dass 2016, wenn das neue Gesetz in Kraft treten soll, knapp 900.000 Euro anfallen würden, unter anderem für vier Planstellen im Bereich Datenschutz.

Die Erarbeitung des Gesetzesentwurfs sei in Abstimmung mit den Sicherheitssprechern aller Parlamentsparteien erfolgt, sagte die Innenministerin. Was zumindest Peter Pilz, Sicherheitssprecher der Grünen, fast schon als Rufschädigung sieht. Auf Nachfrage des STANDARD bezeichnete Pilz die geplante Reform "bestenfalls als Reförmchen". Von einer Strukturreform könne man nicht sprechen, die Ausweitung der BVT-Befugnisse sei zu weitreichend. Er fordert "eine volle parlamentarische Kontrolle". (Michael Simoner, DER STANDARD, 1.4.2015)