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Ein Mann, der durch ein fatales Ereignis auf sich selbst zurückgeworfen wird: Tomas (James Franco) in Wim Wenders’ bedeutungsschwangerem Film "Every Thing Will Be Fine".

Foto: APA/EPA/DONATA WENDERS

Wien - Schon die Szene, die alles in Bewegung setzt, oder besser: alles erstarren lässt, ist seltsam unentschieden. Tomas (James Franco), ein Schriftsteller mit Schreibblockade fährt im Dämmerlicht durch den Schnee, als ihm ein Bub mit der Rodel vors Auto rutscht. Zuerst glaubt man, er hat ihn überfahren. Dann sitzt der Junge aber nur leicht apathisch vor dem Wagen. Tomas begleitet ihn zum Landhaus, das in der Untermalung von Alexandre Desplats Score unheimlich in der Landschaft dräut. Und erst dort, an der Tür, dreht sich die Szene: Da war noch ein Bub, und der ist nun tot.

An dieser Stelle von Wim Wenders' Filmdrama Every Thing Will Be Fine glaubt man noch, das Spiel mit Andeutungen, diese Behauptung einer zusätzlichen, übersinnlichen Ebene will auf etwas anderes als Realismus hinaus. Was passiert mit Menschen, die aus der Verquickung fataler Umstände den Tod eines Menschen herbeiführen? Wie verarbeiten sie diese Schuld, wenn sie an kein übergeordnetes Konzept wie Schicksal glauben? Das sind Fragen, die sich im Erzählkino eigentlich nur mit Handlungen beantworten lassen. Doch Wenders will auch die Anmutung bedienen, dass es um etwas Höheres geht, einen Nimbus, der nicht leicht zu fassen ist.

Franco, der sedierte Star

Mit James Franco hat er diese schwierige Rolle allerdings einem Star übertragen, der sich vor allem auf phlegmatische Präsenz versteht, ein hölzernes Antischauspiel, das eher sedierend wirkt. Nichts kann diesen Tomas mehr erschüttern, sobald er seine selbstzerstörerische Phase einmal hinter sich hat. Mit ruhiger, sonorer Stimme bietet er der Mutter des verstorbenen Buben (Charlotte Gainsbourg) seine Hilfe an und schaut ungerührt zu, als diese in einer Art Exorzismus Faulkner-Romane verheizt. Und als er bei einem Unfall am Rummelplatz zu Hilfe eilt, erträgt es auch seine Freundin Ann (Marie-Josée Croze) nicht mehr und macht ihm seine stoische Miene zum Vorwurf.

Zu diesem Zeitpunkt - das Geschehen (Buch: Bjørn Olaf Johannessen) erstreckt sich über zwölf Jahre - ist einem die Verfassung von Tomas jedoch schon einerlei. Wenders will uns den Helden als Kryptogramm verkaufen, an dem sich die (heillos unterforderten) Frauenfiguren die Zähne ausbeißen. Every Thing Will Be Fine belässt es bei bedeutungsschwangerem Rumoren, die Aura ist bloß ein Gimmick. Zentrale Zusammenhänge auszuführen - etwa inwiefern Tomas' Entwicklung als Autor auch Resultat des Unfalls ist -, dieser Aufgabe versucht er sich erst gar nicht zu stellen.

Ähnliches gilt für die Optik des Films. Wenders, ein begeisterter 3-D-Anhänger, strapaziert mit Kameramann Benoît Debie (bekannt für seine Filme mit Gaspar Noé) auch das Gefühl einer Deplatziertheit. Das führt immer wieder zu hübschen szenischen Auflösungen, in denen Figuren denselben Ort zu durchschreiten scheinen, in Wahrheit aber getrennt voneinander sind. Der Vertigo-Effekt kommt dabei gleich mehrmals, aber halt allzu offensichtlich zum Zug: Tomas muss seine Beziehung zur Welt neu bestimmen. Wir erinnern uns: Die Zeit heilt alle Wunden. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 1.4.2015)