Einer der wichtigsten Faktoren für gelungene Bergtouren: das richtige Timing. Um etwa bei Frühjahrsskitouren auf perfektem Firn ins Tal zu schwingen, müssen mehrere Voraussetzungen zusammenkommen. Erstens: das richtige Wetter. Eine klare Nacht lässt die Schneedecke für den Aufstieg ausreichend durchfrieren. Zweitens: die richtige Tageszeit. Nur wer früh genug aufbricht, hat am Gipfel ausreichend Zeit, um das Auffirnen der Abfahrtshänge abzuwarten. Zu spät Gekommene stochern dagegen im Schneesumpf talwärts – was weder genussvoll noch sicher ist.

Im Sölktal begegnen einander Winter und Frühling bis Mai.
Foto: Uwe Grinzinger

Drittens gibt es Skitouren, die ausschließlich zu einer bestimmten Zeit im Jahr machbar sind. Im hintersten Sölktal in der Obersteiermark etwa tut sich erst im späten Frühjahr ein völlig neues Revier auf. In der Regel ist das Anfang Mai, wenn die Wintersperre der Sölkpassstraße aufgehoben wird, dann entfallen die sehr langen Anmarschwege bis in den Talschluss. Übereifrige fahren augenscheinlich schon vor der offiziellen Straßenfreigabe von Sankt Nikolai in Richtung Pass – so weit die Schneeräumung das halt zulässt.

Auf Butterfirm schwimmen

Als nicht allzu lange Tour für einen würdigen Saisonabschluss bietet sich im Sölktal das Schafdach (2314 Meter) an. Wer dessen rassige Westflanke bei Butterfirn erwischt, schwimmt direkt in den siebten Skitourenhimmel.

Ausgangspunkt ist die Kehre der Sölkpassstraße bei der Erzherzog-Johann-Hütte. Wie erwähnt, bleibt die Wintersperre am Pass oft bis in den Mai hinein aufrecht. Im Idealfall ist die Straße aber bis zur Einstiegskehre geräumt und kann befahren werden – natürlich nur solange dies keine allgemeine Fahrverbotstafel verbietet.

Weiter talauswärts parken

Ist die Zufahrt nicht möglich, parkt man weiter talauswärts und marschiert auf der Straße, wodurch sich die Tour entsprechend verlängert. Von der besagten Kehre geht’s auf einem kurzen Weg zur Erzherzog-Johann-Hütte, links an dieser vorbei und leicht abwärts über eine Brücke in Richtung Winkler-Alm. Unmittelbar hinter der Brücke den Fahrweg verlassen. Zuerst in südöstlicher Richtung aufsteigen – immer nördlich des Baches –, dann verläuft die Route in Richtung Norden.

Gipfel für Geübte

Auf gut 1700 Meter beginnt eine nur mäßig ansteigende Hangquerung, an deren Ende man einen markanten Graben passiert, der vom Schafdach nach Westen herunterzieht. Danach wartet die wirklich steile Gipfelflanke – sie trennt die tourengeherische Spreu vom Weizen: Wer nicht sicher am Ski steht oder seine Harscheisen vergessen hat, lässt diesen Aufstieg besser sein. All jene, die sich dem rassigen Finale dennoch gewachsen sehen, steigen in Spitzkehren bis zum Gipfel des Schafdachs auf. Die Abfahrt erfolgt entlang der Aufstiegsroute und bietet vor allem im oberen Bereich herrlich hindernislose Hänge.

Wer nicht sicher am Ski steht oder seine Harscheisen vergessen hat, lässt den Aufstieg auf das Schafdach besser sein.
Foto: Uwe Grinzinger

Bei guten Bedingungen sollte man am späten Vormittag wieder am Ausgangspunkt angekommen sein. Das bedeutet: Man kann danach direkt eines der Freibäder der Region fahren, deren Saison ja im Mai beginnt. Vom Tourenski in den Pool – eine derartige Kombination mag zwar etwas exzentrisch klingen, ist aber durchaus realistisch: Immerhin wird das Wasser im Freibad in Sankt Nikolai–Mößna konstant auf 24 Grad beheizt. (Uwe Grinzinger, DER STANDARD, 04.04.2015)