Er zeichne keine (Kunst-)Objekte, sondern Lichtwerte, sagt Klaus Mosettig: "Herbs" (2012) aus seiner Josef-Albers-Serie.

Foto: Courtesy of the Artist

Mit den Kuhfladen hat es angefangen, sagt Klaus Mosettig. Eine ganze Serie zeichnete er zwischen 2004 und 2007 von ihnen - keiner davon war wie der andere. "Ich wollte ihre Individualität wahren", sagt er. Wie?! Ja, tatsächlich: die Einzigartigkeit des Rinderdungs.

Mosettig (geb. 1975 in Graz), der derzeit drei neuere Werkserien bei Hofstätter Projekte ausstellt, ist trotzdem weder Spinner noch Provokateur. So ganz frei von Widerspruchsgeist war sein Tun allerdings auch nicht. Ging es doch um Kritik an einem künstlerischen Utilitarismus, der die Fotografie als Krücke verwendet, sie als Vorlage benutzt, um daraus freie malerische Gesten zu entwickeln. Wenn man Fotografie verwendet, sei man auch ihrem Abbildungscharakter verpflichtet, findet Mosettig. Es ist nur konsequent, dieser Verpflichtung auch bei einem "niederen" Motiv wie Kuhscheiße nachzukommen.

Er drehte den Prozess also um. Er nutzte weder das Motiv noch die schnelle, modernere Technik der Fotografie für seine Zwecke, sondern ordnete sich vielmehr beidem fortan unter. War in früheren Arbeiten, in prozessualen Skulpturen, die Natur für ihn tätig gewesen - Apfelbäumchen, Ameisen - so war nun er derjenige, der Zeit und Mühe investierte, um mit sorgsamen Bleistiftschraffuren über Wochen hinweg eine Reproduktion der Fotografien im Medium Zeichnung herzustellen.

Denn auch das ist ihm wesentlich: Mosettig zeichnet keine Objekte. "Nie. Ich zeichne immer nur die Tonwerte der Fotografie, Lichtwerte." Und da ist es einerlei, ob es sich um ein Bild eines Kuhfladens, ein berühmtes Tropfbild von Jackson Pollock oder eine Fussel am Projektorglas handelt. Er schenkt allem die gleiche Aufmerksamkeit, macht somit alles ebenbürtig. Kuhfladen, pastose Maloberfläche, Verschmutzung: Alles wird zum abstrakten Lichtwert. Das schnelle Foto, die spontane Geste wird im zeichnerischen Konzept unwichtig, verliert sich in Langsamkeit.

Auch um Natur ging es nie; sie war lediglich Material. Um den Fokus mehr auf die ihm wichtigen kunstimmanenten Fragen zu richten, änderte Mosettig die Strategie: "Wenn ich Kunst zeichne, muss man über Kunst reden", sagt er, ein Schalk, der als Vorlage für seine neue Serie Informel Kinderkritzelzeichnungen verwendet, die zwar nicht frei vom Form-, aber doch fern eines Kunstwillens entstanden sind.

Er wirft etwa Fragen zum Verhältnis von Original und Kopie, zur Hierarchie der Gattungen oder zur Aura im technisch reproduzierten Kunstwerk auf. Wie verhalten sich Mosettigs aneignende Wiederholungen mit ihrer Akribie und ihrem Zeit einschreibenden Charakter dazu? Josef Albers Serie Homage to the Square, eine Farbfeldmalerei in stets neuen Kombinationen, übersetzt er in gestrichelte Grauwerte. "Es gibt Punkte, wo ich den Künstlern nahe bin, und Momente, wo ich ihnen etwas wegnehme" . "To withdraw" heißt das im Englischen, ein Verb, das das Zeichnen - "to draw" - bereits einschließt. (Anne Katrin Feßler, Album, DER STANDARD, 11./12.4.2015)