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Ein Cut in der Beziehung: Friseurbesuche sollen schön machen – wehe, wenn Langeweile einkehrt.

Foto: reuters/karahalis

Es gibt Gedanken, die sind verboten, weil Treue in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen eine Rolle spielt. Kundentechnisch zum Beispiel. Bei haarigen Sachen.

Friseure leben von ihren Stammkunden und Stammkunden von der Sicherheit, dass sie nachher schöner als vorher sind. Die Schwiegermutter einer Freundin von mir hatte sich, was die Treue zu Friseuren betrifft, ein bigamistisches Konzept überlegt.

Zum einen Friseur ging sie, um Haare zu färben, zur anderen Friseurin, um sie sich schneiden und föhnen zu lassen. Sie ließ bei beiden viel Geld, verheimlichte die zwei nicht voreinander und betrieb jahrelang ein offenes Verhältnis. Ganz bewusst. Warum sie das machte? Ursprünglich, weil sie um ihre Frisur in Urlaubszeiten fürchtete, dann aber, weil sie entdeckte, wie sehr ihre gelegentlichen Bemerkungen beide Friseure anspornte.

Langweilige Beziehungen

Damit verhinderte sie, dass Friseure das einschleifen lassen, was als Routine bezeichnet wird. Nach Jahren der intakten Kundenbeziehung kennt man sich ja, muss sich als Dienstleister nicht jedes Mal gleich anstrengen. Da wird eher der gleiche Schnitt noch mal gemacht denn Neues vorgeschlagen. In polygamen Beziehung sind sämtliche dieser Gefahren einfach geringer.

Zugegeben: Ich hatte ein schlechtes Gewissen, als ich unlängst bei einem Friseur nahe dem Stephansdom zu sitzen kam. Ob ich nicht mal einen Stufenschnitt wollte, fragte die schweigsame Friseurin. "Geht denn das bei diesen Haaren?", antworte ich und war bass erstaunt, als sie "Na klar" sagte. Kurz habe ich überlegt, aber dann ließ ich den Dingen einfach freien Lauf. Es war Fasching.

Sich in unbekannte Hände zu begeben ist Hingabe pur, kann ich im Nachhinein sagen. Ob sich das blinde Vertrauen lohnt, stellt sich immer erst danach heraus. Ich kann sagen: In meinem Fall hatte ich Glück pur. Zum ersten Mal seit 20 Jahren sah ich anders aus.

Einmal und nie wieder

Allerdings: Nicht alle Seitensprünge gehen gut aus. Im schlechtesten Fall laboriert man herum, wünscht sich, die Haare würden schneller wachsen, um reuig zurückzukehren in die Arme des langjährigen Friseurs. Sich entschuldigen, über die anderen schimpfen und hoffen, dass er es einem nicht übel nimmt. Bitter für den Friseur, wenn er verlassen wird. Oft war er ja ein besserer Psychotherapeut. Frisur hin oder her: Beim Haareschneiden erzählt man Geheimnisse..

Fazit: Damit all das nicht passiert, bin ich für offene Polygamie und halte mich an die schlaue Schwiegermutter, die zeit ihres Lebens in dieser Hinsicht sportlich war und damit nicht nur ihre Beziehungen, sondern auch ihre Frisur abwechslungsreich hielt – bis in die Haarspitzen. (Karin Pollack, derStandard.at, 20.4.2015)