Man würde meinen, Michael Häupl, bestückt mit jahrzehntelanger Erfahrung als Politiker, würde etwas geschickter handeln. Seine Argumentation für die Erhöhung der Lehrverpflichtung um zwei Stunden mag im ersten Moment den einen oder anderen zum Schmunzeln bringen. Besonders lustig ist seine Aussage ("Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig") in Wahrheit aber nicht. Ein Schenkelklopfer - und dann? Dann erst wird klar, was der Wiener Bürgermeister mit dieser Aussage angerichtet hat. Nur zwei Jahre nach der Einigung auf ein neues Lehrerdienstrecht folgt die nächste emotionale Debatte. Selten ist die Aufregung so groß wie bei diesem Thema. Lehrer-Bashing ist in Österreich schon fast Nationalsport. Da hilft es auch nicht, dass Häupl am Mittwoch versuchte, zurückzurudern. Seine "Witzchen" seien im Vergleich zur Diktion der Gewerkschaft harmlos. Entschuldigen wollte er sich aber erst gar nicht.

Es ist schon verwunderlich, dass der Wiener Bürgermeister so unüberlegt agiert - noch dazu wenige Monate vor der Wien-Wahl, die am 11. Oktober stattfindet. Die SPÖ will die absolute Mehrheit zurückerobern. Häupl ist innerparteilich unter großem Druck, eine STANDARD-Umfrage zeigte zuletzt, dass die SPÖ verliert. In der Partei sind die Befürworter einer rot-grünen Zusammenarbeit abseits der inneren Bezirke mittlerweile deutlich in der Minderzahl. Zu sehr war der Fokus in den vergangenen viereinhalb Jahren auf Themen der Grünen gerichtet: sei es die Ausweitung des Parkpickerls, die Verkehrsberuhigung auf der Mariahilfer Straße oder die Vergünstigung des Öffi-Tickets auf 365 Euro.

Auch dadurch lässt sich das Foul vor der entscheidenden Landtagssitzung in Sachen Wahlrecht erklären, als die SPÖ einen Grün-Mandatar in ihren Reihen willkommen hieß, um eine Pattsituation herzustellen. Für manche SPÖ-Funktionäre eine Genugtuung. Die Fronten zwischen SPÖ und Grünen sind seither aber verhärtet, und der Wahlkampf ist eröffnet. Ob Häupl deshalb Stammtischpolitik inklusive Hinhauens auf die Lehrer (von denen sind übrigens auch nicht gerade wenige in Wien wahlberechtigt) betreibt? Wenn ja, hat er noch nicht die richtige Wahlkampfstrategie gefunden.

Vergessen darf man auch nicht, dass Häupl nicht nur Bürgermeister, sondern auch Vizeparteichef der SPÖ ist, die dieser Tage ihr 70-jähriges Bestehen feiert. Auch in dieser Funktion erscheint seine jüngste Äußerung mehr als verfehlt. Bis dato wartet man noch auf Kritik an Häupl von hochrangigen Genossen. Das ist enttäuschend. ÖGB-Präsident Erich Foglar meinte im Ö1-Mittagsjournal, seine Aufgabe sei es nicht, andere zu bewerten. Von Parteichef Werner Faymann, der neben Häupl stand, während dieser das umstrittene Zitat von sich gab, ist sowieso keine Kritik zu erwarten, hängt er doch am Gängelband des Bürgermeisters. Das zeigte sich nicht nur bei der Bundesheer-Debatte, sondern auch bei der Steuerreform, als Häupl im STANDARD-Interview mit dem Verzicht auf Substanzsteuern vorpreschte.

Apropos Steuerreform: Dass nun just im Bildungsbereich gespart werden soll, ist ein Armutszeugnis für die Regierung. Von Vermögens- und Erbschaftssteuern hat die Koalition hingegen weitgehend Abstand genommen. Hoffnung geben erste Gegenpositionen zur Maßnahme: Der Gewerkschaftsbund etwa forderte für das Bildungsressort mehr finanzielle Mittel. (Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 16.4.2015)