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Die Erstkommunion ist eine private Feier, die Vorbereitung darauf im Unterricht an staatlichen Schulen verletzt die Rechte konfessionsloser Kinder ebenso wie die anderer Glaubensrichtungen.

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In staatlichen Schulen dürfen Schulstunden von Pflichtfächern für die Vorbereitung zur katholischen Erstkommunion herangezogen und Schüler gegen den Willen der Erziehungsberechtigten religiös erzogen werden. Das ist die Schlussfolgerung aus den Beschlüssen der österreichischen Höchstgerichte in der Causa einer konfessionslosen Familie aus dem Bezirk Tulln, die mit einer Beschwerde gegen die Einübung religiöser Lieder für die Erstkommunionsfeier im Regelunterricht vorgegangen ist.

Zwar ist das Vorgehen der Landesbehörden im von postfeudalistischen Strukturen geprägten Niederösterreich wenig überraschend (der Jurist des Landesschulrates, der den Eltern Recht gab, wurde zwangsversetzt). Die Entscheidungen der Gerichte sind jedoch irritierend - sowohl Verfassungsgericht als auch nun das Verwaltungsgericht lehnten schlicht eine Behandlung der Beschwerde ab. Das weist auf eine Konfliktscheu der heimischen Justiz gegenüber religiösen Institutionen hin.

Das Recht auf Religionsfreiheit beinhaltet zentral auch das Recht auf Freiheit von Religion: religiöse Anschauungen dürfen keinem Menschen aufgezwungen werden.

Wenn Eltern entscheiden, ihr Kind konfessionslos zu erziehen, ist das zu respektieren. Wenn Kinder nicht zum Religionsunterricht angemeldet werden, dann ist das ein bewusster Akt. Ein Religionsunterricht durch die Hintertür, also Glaubensinhalte in Pflichtgegenständen wie dem Musikunterricht, oder sogar, wie in diesem Fall, in Zeiten, die für den Rechenunterricht vorgesehen sind, unterwandert diese bewusste Entscheidung der konfessionslosen Familien und nimmt dem Kind das Recht auf eine angemessene Fachausbildung in den umgewidmeten Unterrichtsstunden.

Es spricht natürlich nichts gegen Themen mit religiösem Hintergrund auch im Musikunterricht oder anderen Fächern - wenn dies vom Lehrplan gedeckt ist und fachlich begründet werden kann. So würde sich niemand an einem Spiritual oder an Charles Gounods "Ave Maria" stoßen, vor allem wenn der Unterricht auch den erklärenden Kontext dazu bietet. Dabei geht es um grundlegende kulturelle Werte, und inhaltlich wie musikalisch banale Lieder wie "Lieber Gott, ich will heute zu dir kommen" zählen hier sicher nicht dazu, schon gar nicht, wenn diese für eine private Angelegenheit wie eine Erstkommunionsfeier einstudiert werden. So ein Lied hat im Musikunterricht soviel verloren wie das Singen der Internationale ("Es rettet uns kein höheres Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun. Uns aus dem Elend zu erlösen können wir nur selber tun!") oder des gegen Adel und Klerus gerichteten französischen Revolutionsliedes "Ça ira" im Religionsunterricht.

Die Causa wirft jedoch die grundlegende Frage auf, warum Religion überhaupt im Lehrplan öffentlicher Schulen einen Platz hat. Eltern, die eine religiöse Erziehung ihrer Kinder wünschen, können diese auch von den jeweiligen Glaubensorganisationen direkt durchführen lassen - überhaupt, wenn es um die Vorbereitung auf einen religiösen Ritus geht. Religionserziehung ist nicht die Aufgabe des Staates, und die Schulen wiederum würden sich das alljährliche aufwendige Jonglieren mit dem Stundenplan ersparen. Bei einer sauberen Trennung von Kirche und Staat würde es gar nicht zu solchen strittigen Situationen kommen können.

Nun liegen die Hoffnungen der Beschwerdeführer beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser soll - wie so oft - für die Grundrechte der Bürger sorgen. (Michael Vosatka, derStandard.at, 16.4.2015)