Der Wiener Bürgermeister formuliert gerne pointiert bis provokant. Sein böser "Da bin ich Dienstagmittag fertig"-Sager in Anspielung auf die Arbeitszeit heimischer Lehrkräfte fügt sich ins Bild und ist durch nichts zu entschuldigen. Nicht einmal durch ihn selbst. Will er auch gar nicht. Hat er doch mit purer Absicht das Klischee der ferienverwöhnten Pauker bedient, die mittags bereits Dienstschluss machen. Das ist falsch.

Genauso falsch ist es, die Diskussion über die Lehrerarbeitszeit unter der Prämisse Sparzwang zu führen. Bildung ist ein Bereich, in den investiert werden muss. Nicht nur in Parteiprogrammen und vor Wahlen. Das Geld würde etwa dringend für Schulpsychologen und Sozialarbeiter gebraucht. Dass diese Arbeit zum Alltag österreichischer Lehrkräfte zählt, ohne dass sie dafür ausgebildet sind, hat der Mann im Wiener Rathaus weggelassen.

Würde morgen der polemikfreie Tag ausgerufen, wäre den zwei zusätzlichen Stunden im Klassenzimmer vieles abzugewinnen. Ja, natürlich sollen Lehrende mehr Zeit am Lernort Schule verbringen. Natürlich soll Schule nicht mittags aufhören, und wer sich's leisten kann, lernt daheim mit Mama, Papa oder Nachhilfe. Wer sich's nicht leisten kann, hat Pech gehabt. Das bedeutet nicht zwei zusätzliche Unterrichtsstunden für alle. Das bedeutet Zeit für soziales Lernen, Freiarbeit, Beziehungsbildung. Nichts anderes würde am Tag der Polemikfreiheit gemeint sein. (Karin Riss, DER STANDARD, 17.4.2015)