Die Mord- und Selbstmordserie unter oppositionellen Politikern und Journalisten in der Ukraine ist Grund zu ernsthafter Sorge um das politische Klima im Land. Wer dem Kreml eine Mitverantwortung für die Ermordung des Oppositionellen Boris Nemzow in Moskau gibt, muss konsequenterweise auch die Führung in Kiew für die Erschießung des prominenten prorussischen Publizisten Oles Busina zur Rechenschaft ziehen.

Dabei geht es nicht um die Frage einer direkten Tatbeteiligung, sondern um die Sicherstellung eines offenen Meinungsaustausches, an dem sich alle politischen Kräfte im Rahmen von Recht und Gesetz beteiligen können, ohne ihrerseits physische Gewalt befürchten zu müssen. Also das, was gemeinhin Pluralismus heißt.

Dieser grundsätzlichen Aufgabe einer demokratischen Regierung ist die ukrainische Führung nicht nachgekommen. Sie beherrscht die Lage schlicht nicht mehr. Im Gegensatz zum Donbass-Gebiet ist der Kontrollverlust auch nicht mit von außen bewaffneten Kräften zu erklären, sondern mit einer Polarisierung der Gesellschaft, die die Regierung mitverschuldet hat.

Umso wichtiger ist die lückenlose Aufklärung der Tat und die Bestrafung der Mörder. Nur die klare Distanzierung von Gewalt und das Bekenntnis zum Schutz aller Bürger sichern der Obrigkeit das Vertrauen und die weitere Unterstützung der Bevölkerung. (André Ballin, DER STANDARD, 18.4.2015)