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EZB-Chef Mario Draghi fordert Griechenland heraus. Eine Antwort auf die Krise "liegt in den Händen der griechischen Regierung". Er verlangt von Athen "sehr viel mehr Arbeit" als bisher.

Die Bodyguards von Mario Draghi waren sichtlich angespannt. Die Zentrale des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington ist während der Frühjahrstagung zwar ohnehin eine Art Hochsicherheitstrakt. Ohne Durchleuchtung kommt niemand hinein. Doch nachdem der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) vergangene Woche bei einem Auftritt in Frankfurt mit Konfetti beworfen wurde, gab es vor Draghis Pressekonferenz am Wochenende Extrakontrollen, mit strenger Taschenüberprüfung. Dann kam Draghi, sprach und diskutierte 45 Minuten. Nachdem eine Konfettiattacke ausblieb, attestierte der Italiener schließlich trocken: "Das war jetzt ereignislos."

Klare Botschaft

Immerhin hatte Draghi eine klare Botschaft mit im Gepäck. In dem Schuldenstreit der Euroländer mit Griechenland erhöhte er den Druck auf Athen noch einmal. Die Antwort auf die aktuelle Krise liege "in den Händen der griechischen Regierung", sagte Draghi, und nirgendwo sonst. Es müsse ein Dialog mit Griechenland hergestellt werden, das verlange aber vor allem von Athen "sehr viel mehr Arbeit".

Gefragt nach einem Grexit, meinte Draghi, dass Europa nach einem Austritt Griechenlands aus der Währungsunion in "unbekannte Gewässer" käme. Doch die Eurozone habe Notfallmechanismen parat, die weit über jene in den Jahren 2010, 2011 und 2012 hinausgehen. Sprich: Ein Grexit würde den Rest Europas nicht in die Tiefe reißen.

Vorschläge gefordert

Draghi stellte sich damit klar auf die Seite der Euroländer, die Bewegung von Athen fordern. Unterstützung scheinen die Griechen inzwischen nirgends mehr zu haben. Nicht nur Deutsche und Österreicher verlangen von der von Syriza geführten neuen Regierung in Athen Taten. Auch Frankreichs Finanzminister Michel Sapin und sein italienischer Amtskollege verweigerten den Griechen in Washington auch nur einen Funken an rhetorischer Unterstützung. Athen müsse Vorschläge machen und detaillierte Reformpläne präsentieren, verlangte etwa Sapin.

Das Hilfsprogramm für Griechenland liegt aktuell auf Eis, weil Athen eine Lockerung der Sparpolitik verlangt. Das wird aber von den Europartnern abgelehnt. Auch der IWF ließ das Mittelmeerland abblitzen. Fonds-Chefin Christine Lagarde erteilte Spekulationen, wonach Griechenland seine vom IWF erhaltenen Kredite später zurückzahlen könne, eine klare Absage.

Energieabkommen dementiert

Russland dementierte Medienberichte, wonach Griechenland im Rahmen eines Energieabkommens schon bald mit einer Milliardenzahlung aus Moskau rechnen könne. Laut "Spiegel Online" hätte dies Griechenland kurzfristig bis zu fünf Milliarden Euro eingebracht.

Verhandler berichten, dass die Griechen zwar zu einzelnen Zugeständnissen bereit wären, aber konkrete quantitative Vorgaben – etwa bei der künftigen Budgetentwicklung – ablehnen.

Die große Frage am Rande der IWF-Tagung war, ob die Europäer wirklich bereit sind für den Grexit. Die andere Version, die kursierte, lautet: Man will mit dem Gerede über einen Euroaustritt nur den Druck erhöhen, um Bewegung aus Athen zu bekommen. Die Frage sei nun, wer zuerst nachgeben werde.

Warnung der Weltbank

Für diese Version spricht zum Beispiel, dass Weltbank-Ökonomen davor warnten, dass sich die Eurozone in eine Lose-lose-Situation manövriert. Was ist gemeint? Wenn Griechenland den Euro verlässt und das Land in Armut abrutscht, werde man den Griechen als Land in Europa irgendwie dennoch helfen müssen. Die Krise wäre also nicht gelöst, sondern nur prolongiert. Kann aber Griechenland die Wende schaffen, etwa weil die billige Drachme die Exporte beflügelt, wäre das aus Sicht der Eurozone auch schlecht. Dann sehen Portugal, Spanien und der Rest der Welt, dass ein Euroaustritt hilfreich sein kann. So oder so also: Europa kann nur verlieren.

Schwierige Situation

Auch die EZB befindet sich laut Beobachtern in einer schwierigen Situation. Das Institut nickt derzeit laufend Erhöhungen von Notkrediten an griechische Banken ab. Diese Darlehen vergibt die griechische Notenbank. Sie sind umstritten, weil die Nationalbank in Athen dabei permanent neues Geld schafft, um die Institute im Land zu stützen. Das kann sie aber nur, solange die EZB nicht widerspricht. Sollte die EZB einmal Nein sagen, würde dies vermutlich Schockwellen auslösen und das griechische Bankensystem an den Rand des Zusammenbruchs befördern.

Athen müsste daher eingreifen und die Banken auf eigene Faust absichern. Das könnte das Land aber nur, wenn es auf unbegrenzte Geldmittel zurückgreifen kann – was im Eurosystem nicht geht. Ob die EZB bereit ist, den Eurostecker für Griechenland zu ziehen und die Schuld für einen Grexit womöglich auf sich zu nehmen, ist aber fraglich.

Vereinfachungen

Draghi selbst deutet wie schon zuvor der IWF eine gewisse Bereitschaft an, die Auflagen für Griechenland im Gegenzug für Reformversprechen zu vereinfachen. "Weniger Vorgaben sind sicher besser als viele", so der italienische EZB-Chef. Griechenland braucht spätestens bis zum Sommer Geld, um einen Zahlungsausfall zu verhindern, sagen EU- Diplomaten. (András Szigetvari aus Washington, DER STANDARD, 20.4.2015)