Bild nicht mehr verfügbar.

Kurz, Mitterlehner, Faymann mit Mikl-Leitner: Die Lösung des Flüchtlingsproblems liegt nicht in Brüssel, sondern in jedem EU-Mitgliedsland selbst.

Foto: APA

Eine Freundin, die vor kurzem in Spanien urlaubte, "verirrte" sich dabei an die Costa del Sol: an jenen deprimierenden Küstenstrich, an dem sich leeres Apartmenthaus an leeres Apartmenthaus reiht, betoniertes Manifest der Immobilien-Spekulationsblase von Malaga bis zur Meerenge von Gibraltar.

Es war ein klarer Tag, man sah bis zur afrikanischen Küste des Mittelmeers, zur spanischen Exklave Ceuta. Der Freundin fiel ein, dass dort zehntausende Menschen in überfüllten Flüchtlingslagern sitzen und mit der Macht der Verzweiflung alles unternehmen, um jenseits der hohen Zäune zu gelangen, dort, wo die EU beginnt und, wie sie hoffen, Leben in Sicherheit und Freiheit möglich ist.

Tödlicher Gegensatz

Der Gegensatz – hier die leeren Apartments, dort die Flüchtlinge in Zelten, Baracken, elend und ohne Perspektive – schoss der Freundin komisch ein, und sie dachte für einen kurzen Moment, wie das wäre, gewährte man diesen Menschen Unterschlupf an Spaniens Südküste.

Nun ist sie keine politische Träumerin, sie weiß, dass die Asylfrage eine komplizierte ist und für alle offene Grenzen eine Illusion. Aber dennoch, sagt sie, blieb von diesem sonnigen Tag in Spanien das Gefühl, "dass das hier eine europäische Schande ist".

Ähnlich drastisch äußerte sich Caritas-Chef Michael Landau, der sonst eher nicht zu Brachialkommunikation neigt: "Wer im Urlaub im Mittelmeer schwimmt, muss wissen, dass er im Grab von tausenden Menschen schwimmt."

Das war, wohlgemerkt, vor dem jüngsten Flüchtlingsdrama mit wahrscheinlich bis zu 900 Toten.

Kurzes Gedächtnis

Dass Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann und Außenminister Sebastian Kurz nun eine "gesamteuropäische Lösung" des Problems fordern und auf Ergebnisse drängen, ist nett – aber was hier abgeht, ist ein Kehren vor der eigenen Haustüre. Offenbar hat man bereits vergessen, dass es seit Jahren unmöglich scheint, dass die Mehrheit der Bundesländer ihre Quoten bei der Aufnahme von Asylwerbern einhält.

Ganz zu schweigen von der Frage, wie das bei der aktuellen Asylnovelle beschlossene Aufteilen von Asylwerbern auf die Länder, schon bei der Erstaufnahme, überhaupt funktionieren soll. Nebenbei bemerkt kritisiert der Rechnungshof, wie teuer allein das Umorganisieren des bestehenden Systems ist. Da ist von zusätzlichem Geld für die erwarteten zusätzlichen Asylsuchenden in den kommenden Jahren noch gar nicht die Rede.

Seit Jahren ist die Frage, ob und wie viel Asylwerber arbeiten dürfen, ein ungelöstes Problem. Wer einen Sprachkurs besuchen möchte, hat oftmals einen bürokratischen Hürdenlauf zwischen unterschiedlich zuständigen Ämtern zu meistern.

Kehren vor der eigenen Tür

All das ist Außenminister Kurz wohlbekannt, er ist ja auch schon wieder einige Jahre für Integrationsagenden zuständig. Geäußert hat er sich zu diesen innerösterreichischen Problemen bisher kaum. Das überlässt er lieber der Innenministerin, ebenso wie der Vizekanzler und ÖVP-Chef. Auch der Bundeskanzler greift das innerösterreichische Asylproblem eher ungern auf: Wenn es konkret wird, kann man sich nämlich beim Wahlvolk ganz schön unbeliebt machen und womöglich der FPÖ eine Steilauflage liefern. Nur keine Solidarität, am besten mit niemandem.

Das ist aber der Kern des Problems: Österreich ist hier keine Ausnahme, sondern die europäische Regel. In allen Mitgliedstaaten der Union wird so agiert – laut und fordernd, wenn es in Richtung Brüssel geht, abwehrend, abschottend und nicht primär humanitär orientiert, wenn die eigene Wählerschaft angesprochen werden soll. Wenn es hier kein Umdenken gibt, wenn hier nicht jeder zuallererst überlegt, was er im eigenen Land besser machen kann, wird es noch viele Flüchtlingsschiffe in Seenot mit vielen Toten geben. Dass wissen die handelnden Politiker sehr genau und ändern ihr Handeln trotzdem nicht – das ist die wahre Schande Europas. (Petra Stuiber, 21.4.2015, derStandard.at)