Ich habe keine Ahnung, wann genau das Ding zum ersten Mal in mein Leben trat. Irgendwann war es da. Und kam seither immer wieder: Als Giveaway. Als Beilage zur Weihnachtskarte des alpinen Vereins. Als "DasschmeißichdirjetztauchnochinsSackerl"-Zuwaag beim Bezahlen an der Kasse des Bergzeugladens.

Und ebenso unbewusst wurde ich die Dinger wieder los: Beim Einweihungsbesuch des Wohnwagens von Freunden. Als Geschenk an die Kinder von irgendwem. Oder das Teil verschwand in einer Kramuri-Kiste - und tauchte nach Monaten (oder Jahren?) plötzlich unverhofft wieder auf. Aber verwendet? Nö: Verwendet habe ich es nie. Das Wasauchimmeresseinmag hatte ja nicht einmal einen Namen: "Das Messergabellöffel" hatte es die Tochter eines Freundes einmal genannt, bevor sie es in der Sandkiste begrub.

Tatsächlich lag die junge Dame da gar nicht so weit vom "echten" Namen weg: "Spork" heißt es nämlich. Allerdings sind ähnliche Besteck-Einteiler auch unter anderen, aber nach dem gleichen System gebildeten Namen zu finden: Foon, Knork, Spife, Sporf oder Splayd etwa. Und so wirklich einhellig einer Meinung ist sich die Besteckeinteilerszene auch nicht, ob das Teil, das da immer wieder bei mir aufpoppte, tatsächlich den Namen "Spork" verdient.

Schließlich wurden Patente für sporkige Besteckeinteiler erstmals um 1874 in den USA angemeldet. Als Markenname wurde der Begriff ein paar Jahrzehnte danach eingereicht. Ebenfalls in den USA - und in Großbritannien: Wie es sich da ausgeht, dass der skandinavische Designer Joachim Nordwall 2003 für das aus Malmö stammende Outdoorlabel "Light my Fire" den "Original Spork" entwickelte und 2005 auf den Markt brachte, muss ich ja nicht kapieren.

Foon & Knork, Spife & Co

Fakt ist aber, dass das Teil genau so auf der Homepage von Light my Fire präsentiert wird - obwohl sein Erschaffer (etwa in langen Features in der New York Times) selbst sagt, dass er beim Designen zwar noch nie ein amerikanisches "Spork"-Gerät in der Hand gehabt hätte, aber doch Bilder und Berichte gekannt habe. Kein Wunder: Im angloamerikanischen Raum liebt man Foon, Knork, Spife & Co seit langem innig. Und zwar von der Design- und Foodie-Welt abwärts zu Campern und Wanderern - bis hin zu Gefängnis-Caterern und Fluglinien.

Foto: Thomas Rottenberg

Nordwalls "Original Spork" ging sofort durch die Decke: Binnen einem Jahr wurden weltweit über 750.000 Light-my-Fire-Sporks verkauft. Das "Messergabellöffel"-Teil kam in elf Farben auf den Markt - und war bald auch in verschiedenen Größen, als Linkshändermodell und nicht nur aus dem Kunststoff Tritan (mit r), sondern auch aus Titan (ohne r) verfügbar.

Die Spork, schreiben die Hersteller auf ihrer Hompage, "bringt ein bisschen Zivilisation in die Wildnis - und ein bisschen Wildnis in die Zivilisation." Das Gerät passe "perfekt in Rucksack, Boot, Picknickkorb, Lunchbox, Hand- oder Aktentasche."

Besteckladenmysterium

Unlängst tauchte das schwedische Messergabellöffel (das "das" ist bei einem derartigen Hybrid in meinen Augen ein sehr zulässiger Artikel) wieder einmal in meinem Blickfeld auf. Bizarrerweise in der Bestecklade. Keine Ahnung, wie das Ding dort rein kommen konnte: Am Tag davor war es jedenfalls noch nicht da. Egal - ich beschloss, es endlich einmal zu benutzen.

Was soll ich sagen? Ok, geradeaus: Noch nie zuvor habe ich mit einem unbrauchbareren und unpraktischeren Werkzeug gegessen. Genauer: Zu essen versucht. Ich verging mich doch ohnehin nur an Nudeln! Aber schon da verbogen sich die Spork-Zinken beim Aufspießversuch dramatisch. Und ganz abgesehen, dass kein Mensch, der halbwegs bei Trost ist, Penne schneiden würde: Die Spork-Klinge scheiterte an ihnen. Und womit man ein zu zerschneidendes Stück Nahrung fixieren soll, wenn die Gabel zugleich das Messer … Egal.

Foto: Thomas Rottenberg

Doch darum geht es wohl nicht. Oder vielleicht sogar einfach ums Gegenteil: Das Messergabellöffel ist eine zauberhafte Idee. Ein komplett unbrauchbares Stück sehr hübsches Design. Etwas, das kein Mensch braucht - oder brauchen kann. Aber das ich trotzdem mag.

Denn wissen Sie: Seit ich das Messergabellöffel - nach Jahren des Ignorierens und Wegschiebens - nun zum ersten (und einzigen) Mal verwendet habe, ist es mir ans Herz gewachsen. So wie seine Geschichte.

Und deshalb hat dieses neun Gramm leichte, 17 Zentimeter lange und geschirrspülerfeste Stück grandioser Nutzlosigkeit jetzt endlich einen fixen Wohnort gefunden: In meiner Bestecklade. Obwohl ich nicht wirklich weiß, in welches Fach der "Spork" da eigentlich gehört. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 26.4.2015)

Den "Original Spork" gibt es online ab 1,95€.