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James Caan bei den Filmfestspielen in Cannes 2013

Foto: STARPIX / picturedesk.com

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James Caan in der Rolle des Jonathan E. in "Rollerball" aus dem Jahr 1975. In dem Science-Fiction-Film von Norman Jewison ersetzt das Spiel Rollerball Kriege.

Foto: Picturedesk / United Artists / Mary Evans

In der Rolle des gewaltbereiten Sohns von Don Corleone prügelte er seinen Schwager windelweich - und wurde prompt für einen Oscar nominiert. Francis Ford Coppolas Mafiaepos Der Pate aus dem Jahr 1972 machte den Schauspieler James Caan weltberühmt.

An einem sonnigen Nachmittag sitzt die Hollywood-Ikone der 1970er-Jahre entspannt in einem Restaurant in Beverly Hills. Noch immer trägt der 75-Jährige die Hemden hauteng, und seine Schultern sind so gerade, dass meinen möchte, da stecken Bretter drin. Fast jeden Satz beginnt oder beendet er mit polterndem Gelächter.

STANDARD: Berühmt wurden Sie durch die Rolle des Sonny Corleone in "Der Pate". Ihre Eltern waren Deutsche. Fiel es Ihnen leicht, den hitzköpfigen Italiener zu spielen?

James Caan: Klar doch! Genau wie deutsche Juden sind Italiener sehr familienorientiert. Da gibt es viele Ähnlichkeiten, was den Familiensinn angeht. Wir hatten jeden Abend Schlag halb sechs zum gemeinsamen Essen bei Tisch zu sein. Wenn nicht, gab es ein Donnerwetter.

STANDARD: Ihre Eltern gaben Ihnen den Zwischennamen Edmund. Sprechen Sie Deutsch?

Caan: Als ich einmal in München drehte, sprach ich einige Mädchen auf Deutsch an, um sie zu beeindrucken. Die lachten mich nur aus, weil sie nach einem Satz wussten, dass ich ein Ami bin. Ich kenne aber ein paar Lieder wie "O du lieber Augustin, Kommt ein Vogel geflogen oder (beginnt lauthals zu singen) Wien, Wien nur du allein ...
"

STANDARD: Das sind österreichische Lieder. Gibt es da eine Verbindung?

Caan: Mein Vater hatte eine Schwäche für Wien. Manchmal tanzten meine Eltern Walzer in der Küche, und er rief: "Links herum! Links herum!" Er beherrschte den Linkswalzer. Der ist angeblich schwieriger als der Rechtswalzer. In meinem Elternhaus wurde überwiegend Deutsch gesprochen. Meine Großmutter mütterlicherseits weigerte sich, auch nur ein Wort Englisch zu reden. Sie war eine richtige Deutsche. Ich sagte zu ihr: "Jetzt bist du seit 25 Jahren in Amerika und sprichst kein Wort Englisch." Sie zuckte nur mit den Schultern und meinte: "Was kann man in 25 Jahren schon lernen?"

STANDARD: Was haben Sie von New York gelernt?

Caan: Ich bin in der Bronx geboren, aufgewachsen in den Slums von Queens. Das war nicht wie hier, in Beverly Hills, wo die Kids mit dem Mercedes herumchauffiert werden. Mein Vater schickte mich mit einem Tritt in den Hintern in den Schulhof. Da entwickelt man ziemlich schnell einen guten Instinkt dafür, gegen wen man sich durchsetzten kann und gegen wen nicht. In so einer Umgebung lässt man sich nicht ein Jahr Zeit, um Freundschaften anzubahnen. Wenn ich jemanden die Hand schüttelte, wusste ich sofort, ob er mein Freund werden kann oder nicht. Alles Wichtige im Leben lernte ich dort: gewinnen und verlieren, Loyalität und Freundschaft.

STANDARD: Ihr Vater war Fleischer. Haben Sie ihm manchmal bei der Arbeit geholfen?

Caan: Oh ja! Unser Geschäft war im Meatpacking District auf der 14. Straße, und meine Familie belieferte sechs bis zehn Kunden, darunter Restaurants in Manhattan. Zum Abschluss seiner Fleischerlehre bekam mein Vater eine Kette mit einem kleinen Schleifstein als Anhänger geschenkt, die er immer um den Hals trug. Das beeindruckte mich als Kind, der Stein hatte etwas Autoritäres. Im Sommer musste ich mithelfen, Rinderhälften aus dem Lastwagen in die Kühlhäuser zu tragen. Der Fleischgestank in der Hitze war elend. Ich wusste schnell, dass ich diesen Job mit Sicherheit nicht für den Rest meines Lebens machen werde.

STANDARD: Wie kamen Sie dann zur Schauspielerei?

Caan: Im College versuchte ich mich in allem. Leider interessierte mich nichts länger als eine Woche. Aber die Schauspielerei war etwas, über das ich im Leben stolperte und mich sofort begeisterte. Mein Vater hielt mich erstaunlicherweise nicht zurück, und meine Mutter - na, die hatte sowieso nichts zu melden, was mir in diesem Fall aber zugutekam.

STANDARD: Sind Sie Ihrem Vater in manchen Dingen ähnlich?

Caan: Mein Vater war knallhart, arrogant und rechthaberisch. Nicht in einer unangenehmen Weise. Ein richtiger Kerl eben. Er sagte mir nie, dass er mich liebt. Das mache ich anders. Ich sage es meinen Kindern ständig, wahrscheinlich viel zu oft.

STANDARD: Was war Ihre erste Rolle?

Caan: Auf der Bühne stand ich das erste Mal als der junge Soldat in Arthur Schnitzlers Reigen. Ein wunderbares Stück. Ich begann mein Studium an der Neighborhood Playhouse School of Theater in New York, später bekam ich ein Stipendium, um bei Wynn Handman (Handman unterrichtete unter anderen Michael Douglas und Christopher Walken, Anm.) zu studieren. Er wurde zu einer Art Guru für mich. Ich ließ mir sehr lange Zeit, bis ich mich in die professionelle Welt hinaus wagte. Ich wollte so gut wie möglich vorbereitet sein für den Moment, in dem ich meine erste Chance bekommen sollte.

STANDARD: Hatten Sie durch Ihre Ausbildung nicht gute Kontakte zum Showbusiness?

Caan: Ich kannte niemanden im Showbusiness, aber ich glaube, dass ich deswegen bald Erfolg hatte, weil ich ein bisschen wilder, ein bisschen verrückter war und meine Rollen sehr impulsiv interpretierte. In mir brannte das Feuer lichterloh. Ich hatte so viel Leidenschaft für die Schauspielerei, dass ich fast platzte. Und ich hatte großes Glück und erhielt einen Job nach dem anderen.

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James Caan im Western "El Dorado" (1966) mit John Wayne (Mitte) und Christopher George (rechts).
Foto: Ronald Grant Archive / Mary Evans / picturedesk.com

STANDARD: In "El Dorado", einem Ihrer ersten Filme, spielten Sie neben John Wayne und Robert Mitchum. Nahmen Sie die beiden Legenden unter Ihre Fittiche?

Caan: Oh nein! Wirklich nicht. Ich spielte einen jungen Mann mit dem Namen "Mississippi" und hatte einen blöden Hut auf, damit ich ein bisschen größer wirkte. Worauf die beiden mich Jiminy Cricket nannten, nach der sprechenden Grille in Walt Disneys Zeichentrickfilm Pinocchio. Trotz des Hutes musste ich zwischen diesen beiden Hünen auf Kisten oder Leitern stehen, um nicht all zu mickrig zu wirken. Mitchum war ein toller Schauspieler.

Aber John Wayne? Eines Abends, nachdem wir die Aufnahmen des Tages anschauten, sagte Wayne zu mir: "Na Kleiner, du grinst aber ganz schön viel!". Und ich darauf "Whaaat dooo you haaaaaave to dooooo? Whaaaaat doooo you haaave to saaaaay? - wer bitte redet so! Da kann man doch nicht anders, als ständig lachen!" Ich verehrte John Wayne, aber er war ein miserabler Schauspieler.

STANDARD: Welche der Rollen, die Sie spielten, ist Ihrer Person am nächsten?

Caan: Die des "Frank" in Thief (Der Einzelgänger, Anm.), Michael Manns erstem Kinofilm. Der Typ tickt genau wie ich. Auch Sonny Corleone in Der Pate war toll. Und Rollerball, weil es eine körperlich anspruchsvolle Rolle war. All diese Charaktere brachten verschiedene Saiten in mir zum Klingen. Einer meiner ersten Filme, die mir zum Durchbruch verhalfen, war Brians Song (Freunde bis zum Tod, Anm.). Wenn ich den heute sehe, muss ich jedes Mal weinen.

STANDARD: Wie kamen Sie zu der Rolle in "Der Pate"?

Caan: Ich drehte 1969 mit Francis Ford Coppola The Rain People (Liebe niemals einen Fremden, Anm.), einen seiner ersten Filme, bei dem ich auch Robert Duvall kennenlernte. Wir arbeiteten gerne und gut zusammen, und irgendwann rief Francis wieder an und meinte, Al Pacino, Bobby Duvall und ich sollen zu ihm nach San Francisco kommen, um ein paar Probeaufnahmen zu machen. Seine Frau Eleanor schnitt uns die Haare und wir probten in ihrem Apartment. Francis war wunderbar zu dieser Zeit. Er fand die besten Leute für jeden Bereich - von Kamera über Ton bis zur Ausstattung. Damals waren wir alle unbekannt und ein Traumteam. Es ist jammerschade, dass Coppola heute lieber Wein statt Filme macht.

STANDARD: Von 1982 bis 1987 unterbrachen Sie Ihre Karriere ausgerechnet in dem Moment, als Sie am Höhepunkt angelangt waren. Wie erklärt man so etwas?

Caan: Ja, damals war ich top, was die Einspielergebnisse der Filme betraf. Dann verstarb meine Schwester, mit der ich ein sehr inniges Verhältnis hatte, an Leukämie. Das war ein großer Schock, und ich brauchte einfach eine Pause. Ich fand einen Job, der mich erfüllte. Ich begann als Sporttrainer für Kinder zu arbeiten.

STANDARD: Aber Sie kehrten zurück zum Film.

Caan: Als Trainer verdient man nicht viel Geld. Und ich bin verheiratet, habe drei Ex-Frauen und fünf Kinder.

STANDARD: Das war der einzige Grund?

Caan: Es macht einfach Spaß, kindisch sein zu dürfen und in die Rolle eines anderen zu schlüpfen. Und wenn man mit den richtigen Leuten zusammenarbeitet - von denen es heutzutage nicht mehr allzu viele gibt -, dann ist es ein Traumjob. Ich hatte das Glück, in den 1970er- und 80er-Jahren mit den besten Leuten im Business zu drehen. Wir machten die besten Filme. Heute wird das immer seltener, weil sich alles ums Geld dreht. Inzwischen muss das Budget für die Promotion eines Filmes genauso hoch sein wie das Budget für den Film selbst.

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James Caan in seiner Paraderolle als Sonny Corleone in "Der Pate" (1972).
Foto: PARAMOUNT PICTURES / Mary Evans / picturedesk.com

STANDARD: Gibt es Dinge, auf die Sie stolz sind?

Caan: Wenn mir mein Sohn sagt, der auch Schauspieler ist, dass ich ein Vorbild für junge Schauspieler bin. Es ist herrlich, wenn Johnny Depp oder Leonardo DiCaprio gerne mit mir Zeit verbringen und mich um Rat fragen. Es gibt so viele Talente, aber so wenige Regisseure, mit denen man in Hollywood zusammenarbeiten möchte. In Europa ist das zum Glück noch etwas anders.

STANDARD: Sind viele Ihrer Freunde Schauspieler?

Caan: Bobby Duvall ist der einzige Schauspieler, den ich als Freund bezeichnen würde. Wir drehten fünf Filme miteinander. Er ist genauso verrückt wie ich, deshalb verstehen wir uns so gut. Wenn wir uns sehen, reden wir über Steaks und Pferde - nie über die Schauspielerei. Sie ist ja auch das gottverdammt langweiligste Gesprächsthema, das es gibt.

STANDARD: Wie war es, von der Rolle des feurigen jungen Mannes in die des gelassenen Vaters und Großvaters hineinzuwachsen?

Caan: Ich bin noch immer hochexplosiv, nur komme ich nicht mehr an die hübschen Mädchen ran! Glauben Sie mir, es gibt nach wie vor etliche Dinge in meinem Leben, die mich wütend machen. Da ist die Schauspielerei ein gutes Ventil. (Cordula Reyer, Rondo, DER STANDARD, 30.4.2015)