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Schon schwierig genug bei körperlichen Beschwerden, ist der Erfolg von Reha-Maßnahmen bei psychischen Krankheiten noch unsicherer. Möglichkeiten zu einer schrittweisen Rückkehr in den Arbeitsmarkt gibt es nur eingeschränkt.

Foto: Corbis/imageBroker/Jochen Tack

Wien - Für den Sozialminister ist es eine Art Kollateralgewinn: Seit unter 50-Jährige keine befristete Invaliditätspension mehr beziehen, ist das durchschnittliche Pensionsantrittsalter deutlich angestiegen. Wer Jahrgang 1964 oder jünger ist, erhält seit dem Vorjahr stattdessen Rehabilitationsgeld oder Umschulungsgeld. Letzteres wird vom Arbeitsmarktservice (AMS) ausbezahlt und betrifft all jene, die wegen einer Krankheit ihren Beruf nicht mehr ausüben können.

Rehageld beziehen hingegen jene Arbeitnehmer, die vorübergehend überhaupt nicht mehr arbeiten können. Für die Zuerkennung ist die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) zuständig, für Auszahlung und Betreuung der Betroffenen - rund 11.500 waren es im Vorjahr - die Krankenkassen. Mit dem sogenannten Case-Manager werden die gesundheitliche Situation besprochen und Zielvereinbarungen geschlossen. Auch die Einhaltung der empfohlenen Therapien wird überprüft.

Rückkehr auf Raten

Dass arbeitsbezogene Rehabilitation vernünftiger ist als das Abschieben in die Invaliditätspension und damit das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, darüber herrscht weitgehend Konsens. Auch für Arbeitsmedizinerin Eva Höltl, Leiterin des Gesundheitszentrums der Erste Group, war die Einführung des Rehageldes ein nachvollziehbarer Schritt. Das jetzige System sei jedoch noch immer zu sehr von einem Schwarz-Weiß-Schema geprägt: "Es gibt zu oft nur zwei Möglichkeiten: entweder Arbeit oder Krankenstand." Stattdessen brauche es Abstufungen und Formen des flexiblen Wiedereinstiegs, etwa die schrittweise Erhöhung der Arbeitszeit.

Besonders wichtig sei die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Anlaufstellen im Gesundheits- und Pensionssystem. "In Österreich herrscht ein Silodenken", meint Höltl. Schon im Krankenstand müsse es praktische Handlungsempfehlungen geben, die den Weg zu einer passenden Rehabilitation erleichtern. Das Case-Management sei ein erster Schritt, aber nicht ausreichend. "Im Schnitt hat jemand, der wegen einer psychiatrischen Krankheit frühzeitig in Pension geht, sieben Jahre davor zum ersten Mal Psychopharmaka gekauft." Dieser Zeitraum müsse viel stärker für die Therapierung genutzt werden.

Fehlender Berufsschutz

Fehlende Schnittstellen kritisiert auch Judith Schwentner, Sozialsprecherin der Grünen: "Teilweise werden von PVA und Gebietskrankenkasse widersprüchliche Bescheide ausgestellt." Zudem seien Personen mit geringer Ausbildung oder in prekären Jobs faktisch vom Rehageld ausgeschlossen: "Viele fallen durchs Netz, vor allem jene Menschen, die keinen Berufsschutz haben."

Mängel konstatiert auch Volksanwalt Günther Kräuter. So gebe es Nachholbedarf bei der Information von Betroffenen und steuerrechtliche Bedenken: "Wir reden da von Menschen, die auf jeden Euro angewiesen sind." Für eine Forderung nach gesetzlichen Änderungen sei es aber noch zu früh. Kräuter verweist auf den Jahresbericht der Volksanwaltschaft, mit dem sich ab Juni der Nationalrat beschäftigen wird.

Ein besonderes Problem stellen psychische Erkrankungen dar: Für mehr als 60 Prozent der Rehageldbezieher ist dies der Grund für die Erwerbsunfähigkeit. "Viele Initiativen zielen darauf ab, Betroffenen dabei zu helfen, im Arbeitsleben zu bleiben. Aber speziell bei arbeitsbedingten psychischen Belastungen ist das ohne menschengerechte Arbeitsgestaltung schwer umsetzbar", sagt Schirin Martina Missaghi, Leiterin des Referats Betriebsärzte und Arbeitsmedizin der Wiener Ärztekammer. Ob diese Menschen dann in Betrieben unterkommen, die auch bereit sind, Zeitdruck und Arbeitsdichte anzupassen, sei eine ganz andere Frage.

Ungesundes Arbeitsklima

Grundsätzlich habe sich die Gesundheitsvorsorge in den Betrieben in den vergangenen Jahren nur wenig verbessert. "Seit zwei Jahren gibt es die Verpflichtung, die psychische Belastung am Arbeitsplatz zu evaluieren. Evaluierung und nötige Änderungen der Arbeitsorganisation werden aber kaum umgesetzt." Missaghi fordert strengere Kontrollen, auch durch das Arbeitsinspektorat.

Auf Änderungen in der Unternehmenskultur lasse sich nicht hoffen. "Wer macht schon Gesundheitsvorsorge, weil es einem der Arbeitgeber vorschreibt? Echte Prävention muss viel früher ansetzen, schon im Kindergarten. Bewusstsein für die eigene Gesundheit sollte schon da vermittelt werden." Dass der Schule gerade bei der Vorbeugung psychischer Krankheiten eine Schlüsselrolle zukommt, bestätigte unlängst auch eine OECD-Studie. Demnach gehen mehr als die Hälfte aller psychischen Erkrankungen auf Kindheit und Jugend zurück. Die Empfehlung: mehr Investitionen in Schulprogramme für psychische Gesundheit. (Simon Moser, 6.5.2015)